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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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betrachtete den Tanz der Flammen fasziniert wie ein Kind. Ihr aschgraues Haar war zu einem Zopf geflochten, ihr Körper schlank und asketisch, ihre Bewegungen waren knapp und gemessen. Sie war in Weiß gekleidet und hatte ein Seidentuch um den Hals geknüpft. Sie lächelte mir warm zu und bot mir einen Stuhl neben sich an. Ich setzte mich. Zwei Minuten lang schwiegen wir und lauschten dem Knistern der Glut und dem Meeresrauschen. In ihrer Gegenwart schien die Zeit stillzustehen, und seltsamerweise war der Albdruck, der mich hergeführt hatte, verflogen. Langsam wurde der Hauch des Feuers spürbar, und an ihrer Seite schmolz die Kälte in meinen Knochen. Erst jetzt wandte sie die Augen von den Flammen. Sie ergriff meine Hand und begann zu sprechen.
    »Meine Mutter hat fünfundvierzig Jahre lang in diesem Haus gelebt. Damals war es noch kein Haus, bloß eine Hütte aus Schilf und Strandgut. Selbst nachdem sie sich einen Namen gemacht hatte und von hier hätte weggehen können, weigerte sie sich, es zu tun. Sie sagte immer, an dem Tag, an dem sie das Somorrostro verließe, würde sie sterben. Sie war hier geboren, unter den Menschen des Strandes, und hier blieb sie bis ans Ende ihrer Tage. Es wurde viel über sie erzählt. Viele redeten über sie, und sehr wenige kannten sie wirklich. Viele fürchteten und hassten sie. Auch noch nach ihrem Tod. Ich erzähle Ihnen das alles, weil Sie wissen sollen, dass ich nicht die bin, die Sie suchen. Die Person, die Sie suchen -oder zu suchen meinen –, die viele die Hexe von Somorrostro nannten, war meine Mutter.«
    Verwirrt schaute ich sie an.
    »Wann …?«
    »Meine Mutter ist 1905 gestorben«, sagte sie. »Sie wurde wenige Meter von hier umgebracht, am Strand, durch einen Messerstich in den Hals.«
    »Das tut mir leid. Ich habe geglaubt …«
    »Das glauben viele Leute. Der Wunsch zu glauben kann sogar stärker sein als der Tod.«
    »Wer hat sie umgebracht?«
    »Sie wissen, wer.«
    Ich antwortete erst nach einem Augenblick. »Diego Marlasca …« Sie nickte. »Warum?«
    »Um sie zum Schweigen zu bringen. Um seine Spur zu verwischen.«
    »Das verstehe ich nicht. Ihre Mutter hatte ihm doch geholfen … Er selber gab ihr für ihre Hilfe eine große Summe.«
    »Ebendarum wollte er sie umbringen, damit sie sein Geheimnis mit ins Grab nähme.«
    Sie sah mich leicht lächelnd an, als ob meine Verwirrung sie zugleich amüsiere und ihr Mitleid einflöße.
    »Meine Mutter war eine ganz gewöhnliche Frau, Señor Martín. Sie war im Elend aufgewachsen, und ihre einzige Kraft war der Wille zu überleben. Sie hatte nie lesen oder schreiben gelernt, aber sie konnte in die Menschen hineinsehen. Sie fühlte, was sie fühlten, was sie verbargen und sich ersehnten. Sie las es in ihrem Blick, ihren Mienen, ihrer Stimme, ihrem Gang oder ihren Gesten. Sie wusste im Voraus, was andere tun und lassen würden. Aus diesem Grund wurde sie von vielen als Hexe bezeichnet – weil sie in ihnen sehen konnte, was sie selbst nicht sehen wollten. Sie verdiente sich den Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Liebes- und Zaubertränken, die sie aus dem Wasser des Bachs, aus Kräutern und einigen Zuckerkörnern herstellte. Sie half verlorenen Seelen, an das zu glauben, woran sie glauben wollten. Als ihr Name immer bekannter wurde, begannen viele vornehme Leute sie aufzusuchen und um ihre Hilfe zu bitten. Die Reichen wollten noch reicher, die Mächtigen noch mächtiger werden. Die Engherzigen wollten sich als Heilige fühlen und die Heiligen für Sünden bestraft werden, die zu begehen sie zu ihrem Leidwesen nicht den Mut gehabt hatten. Meine Mutter hörte alle an und nahm ihre Münzen entgegen. Mit diesem Geld schickte sie mich und meine Geschwister auf die Schulen, die die Kinder ihrer Klienten besuchten. Sie erkaufte uns einen anderen Namen und ein anderes Leben weit weg von diesem Ort. Sie war ein guter Mensch, Señor Martín, lassen Sie sich nicht täuschen. Sie hat nie jemanden ausgenutzt, nie jemandem etwas anderes eingeredet, als was zu glauben für ihn unerlässlich war. Das Leben hatte sie gelehrt, dass wir Menschen nicht nur Luft zum Atmen, sondern ebenso sehr große und kleine Lügen brauchen. Sie sagte immer, wenn wir in der Lage wären, einen einzigen Tag lang vom Morgengrauen bis zur Dunkelheit die Welt und uns selbst völlig ungeschminkt zu sehen, würden wir uns das Leben nehmen oder den Verstand verlieren.« »Aber …«
    »Wenn Sie gekommen sind, um Magie zu finden, dann muss ich Sie leider

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