Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
lächelte. Die Kabine verließ die scharlachrote Wolke, und wir schwebten über das Hafenbecken, über dessen dunkle Wasser sich die Lichter der Stadt ergossen.
»Fünfzehntausend Peseten.« Er klopfte auf einen weißen Umschlag, der aus seiner Manteltasche ragte.
»Da sollte ich mich vermutlich geschmeichelt fühlen. Manche töten schon für zwei Duros. Ist im Preis inbegriffen, dass Sie Ihre beiden Männer ans Messer geliefert haben?«
»Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie der Einzige sind, der hier jemanden umgebracht hat.«
Mittlerweile hatten die vier Priester den Zauber des schwindelerregenden Über-die-Stadt-Schwebens vergessen und schauten uns konsterniert an. Grandes warf einen raschen Blick auf sie.
»Wenn es nicht zu viel verlangt ist, wäre ich Euren Exzellenzen sehr dankbar, wenn Sie beim ersten Halt aussteigen und uns unsere weltlichen Angelegenheiten allein austragen lassen würden.«
Vor uns erhob sich der Turm im Hafenbecken wie ein Pfeiler aus Stahl und Kabeln, der einer technischen Kathedrale entstammte. Die Kabine fuhr in die Kuppel ein und kam neben der Plattform zum Stillstand. Als das Türchen aufging, verließen die vier Priester fluchtartig die Gondel. Grandes dirigierte mich mit der Waffe nach hinten. Beim Aussteigen warf mir einer der Priester einen besorgten Blick zu.
»Keine Bange, junger Mann, wir werden die Polizei benachrichtigen«, sagte er, bevor das Türchen wieder geschlossen wurde.
»Das sollten Sie unbedingt tun«, antwortete Grandes.
Die Kabine verließ den Turm und setzte zum letzten Stück der Überfahrt an. Grandes trat ans Fenster und betrachtete die Stadt, ein Blendwerk aus Lichtern und Dünsten, Kathedralen und Palästen, Gässchen und breiten Alleen, das in ein Labyrinth aus Schatten eingebettet war.
»Die Stadt der Verdammten«, sagte er. »Je weiter weg, desto schöner.«
»Ist das meine Grabinschrift?«
»Ich werde Sie nicht umbringen, Martín. Ich bringe die Leute nicht um. Diesen Gefallen werden Sie mir tun. Mir und Ihnen selbst. Sie wissen genau, dass ich recht habe.«
Kurzerhand feuerte er drei Schüsse auf den Schließmechanismus des Türchens ab und stieß dieses mit dem Fuß auf, sodass es in der Luft flatterte und ein feuchter Wind in die Kabine strömte.
»Sie werden nichts spüren, Martín, glauben Sie mir. Der Aufprall dauert keine Zehntelsekunde. Und dann herrscht Ruhe, Frieden.«
Ich blickte zum offenen Türchen. Vor mir lag ein Abgrund von siebzig Metern. Ich schaute in Richtung San-Sebastián-Turm, von dem wir noch einige Minuten entfernt waren. Grandes las meine Gedanken.
»In einigen Minuten wird alles zu Ende sein, Martín. Eigentlich müssten Sie mir dankbar sein.«
»Glauben Sie wirklich, ich hätte all diese Leute umgebracht, Inspektor?«
Er hob den Revolver und zielte auf mein Herz.
»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch schnurzegal.«
»Ich dachte, wir wären Freunde.«
Grandes lächelte und schüttelte den Kopf.
»Sie haben keine Freunde, Martín.«
Zum Krachen des Schusses spürte ich einen Einschlag in der Brust, als wäre mir ein Vorschlaghammer in die Rippen gerammt worden. Ich bekam keine Luft mehr und fiel auf den Rücken, während mich ein Schmerzkrampf durchfuhr. Grandes hatte mich an den Beinen gefasst und schleifte mich zum Türchen. Auf der anderen Seite erschien zwischen Wolkenschleiern der San-Sebastián-Turm. Grandes trat über mich hinweg, kniete hinter mir nieder und schob mich an den Schultern zum Türchen. Ich spürte den feuchten Wind an den Beinen. Der Inspektor gab mir einen weiteren Stoß, sodass meine Hüften aus der Kabine hingen.
Gerade als ich zu fallen begann, streckte ich die Arme aus und grub dem Inspektor die Finger in den Hals. Durch das Gewicht meines Körpers war er in der Öffnung verkeilt. Ich presste mit all meiner Kraft, drückte ihm die Luftröhre zu und quetschte seine Halsschlagadern. Mit der einen Hand versuchte er sich aus meinem Würgegriff zu befreien, während die andere nach der Waffe tastete. Seine Finger fanden den Kolben und glitten auf den Abzug zu. Der Schuss streifte meine Schläfe, traf den Rand des Türchens, prallte ab, sauste in die Kabine zurück und fräste ihm ein sauberes Loch in die Handfläche. Ich vergrub die Nägel in seinem Hals und spürte, wie die Haut nachgab. Grandes ächzte. Ich zog kräftig und hievte mich hinauf, bis wieder mehr als mein halber Körper in der Kabine war. Sowie ich mich an den Metallwänden festklammern konnte, ließ ich Grandes
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