Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
den Motor an und fuhr aus der Garage, um im Hof zu warten. Als Don Pedro nach einer Minute nicht erschien, stieg ich bei laufendem Motor aus. Ich ging ins Haus, um mich von ihm zu verabschieden und ihm zu sagen, er solle sich wegen des Geldes keine Gedanken machen, ich würde schon irgendwie klarkommen. In der Halle erinnerte ich mich, dass ich die Waffe auf dem Tisch gelassen hatte. Als ich sie mitnehmen wollte, war sie nicht mehr da.
»Don Pedro?«
Die Tür zum Salon war angelehnt. Ich schaute hinein und erblickte ihn in der Mitte des Raums. Er führte eben die Pistole meines Vaters an die Brust und richtete den Lauf aufs Herz. Ich lief zu ihm, und das Krachen des Schusses erstickte meine Rufe. Die Waffe fiel ihm aus der Hand. Sein Körper neigte sich zur Seite und sank, auf dem Marmor eine scharlachrote Spur hinterlassend, langsam zu Boden. Ich fiel neben ihm auf die Knie und nahm ihn in den Arm. Der Schuss hatte ein rauchendes Loch in seine Kleider gebohrt, aus dem dickflüssig dunkles Blut quoll. Don Pedro schaute mir fest in die Augen, während sich sein Lächeln mit Blut füllte und sein Körper zu zittern aufhörte und, umgeben vom Geruch nach Pulver und Elend, in sich zusammensank.
23
Ich setzte mich wieder ins Auto, die blutigen Hände am Lenkrad. Ich konnte kaum atmen. Nach einer Minute löste ich die Handbremse. Die Dämmerung hatte den Himmel über den pulsierenden Lichtern der Stadt rot gefärbt. Die Villa Helius hinter mir lassend, fuhr ich die Straße hinunter. Bei der Avenida Pearson hielt ich an und sah in den Rückspiegel. Aus einem versteckten Gässchen bog ein Auto heraus und blieb etwa fünfzig Meter hinter mir stehen. Die Scheinwerfer brannten nicht. Inspektor Grandes.
Ich fuhr weiter die Avenida Pearson hinunter, an dem großen schmiedeeisernen Drachen vorbei, der den Haupteingang der Finca Güell bewachte. Der Wagen des Inspektors folgte mir in rund hundert Meter Abstand. Bei der Diagonal angekommen, bog ich nach links ein in Richtung Stadtzentrum. Es war kaum Verkehr, und Grandes konnte mir problemlos folgen, bis ich nach rechts abbog in der Hoffnung, ihn in den engen Gassen von Las Corts abzuschütteln. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits bemerkt, dass seine Anwesenheit kein Geheimnis mehr war, hatte die Scheinwerfer eingeschaltet und aufgeholt. Zwanzig Minuten lang umkreisten wir ein Gewirr von Gassen und Straßenbahnen. Ich glitt zwischen Bussen und Autos hindurch und erblickte immer wieder von neuem die Lichter von Grandes’ Wagen hinter mir, der mir unermüdlich folgte. Nach einer Weile erhob sich vor uns der Hügel von Montjuic. Der große Palast der Weltausstellung und die Reste der übrigen Pavillons waren zwar erst knapp zwei Wochen zuvor geschlossen worden, aber im Dunst der Dämmerung wirkten sie bereits wie die Ruinen einer großen vergessenen Kultur. Ich steuerte die breite Straße hinauf zum Magischen Brunnen mit seinen Wasser- und Lichtspielen an und beschleunigte, was der Motor hergab. Je höher wir auf der Straße kamen, die sich um den Hügel herum dem Stadion entgegenschlängelte, desto mehr gewann der Inspektor an Terrain, bis ich im Rückspiegel deutlich sein Gesicht erkennen konnte. Einen Augenblick fühlte ich mich versucht, die Straße zum Kastell oben auf dem Hügel zu nehmen, aber eine ausweglosere Sackgasse gab es nicht. Meine einzige Hoffnung bestand darin, auf die andere, dem Meer zugewandte Seite des Hügels zu gelangen und auf einer der Hafenmolen zu verschwinden. Dazu brauchte ich einen gewissen Vorsprung. Grandes befand sich jetzt etwa fünfzehn Meter hinter mir. Vor mir lagen die großen Balustraden von Miramar mit ihrem weiten Ausblick über die Stadt. Ich machte eine Vollbremsung, sodass Grandes mit voller Wucht auf den Hispano-Suiza auffuhr. Der Aufprall schob uns beide in einer Funkengirlande fast zwanzig Meter weiter. Ich nahm den Fuß von der Bremse und fuhr ein kleines Stück vor. Während Grandes die Kontrolle wiederzugewinnen versuchte, legte ich den Rückwärtsgang ein und trat das Gaspedal durch. Als er merkte, was ich vorhatte, war es bereits zu spät. Ich attackierte ihn mit freundlicher Genehmigung des exklusivsten Rennstalls der Stadt, dessen Karosserien und Motoren deutlich robuster waren als bei ihm. Die Wucht der Karambolage schüttelte ihn in seinem Wagen durch, und sein Kopf prallte gegen die Windschutzscheibe, die in einem Splitterregen zerbarst. Weißer Dampf quoll aus der Motorhaube, die Scheinwerfer hatten den Geist
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