Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
und mir aus seinem Humidor eine Zigarre und zum Anzünden eine Kerze anbot.
»Macanudo?«
»Ich sehe, Sie sind dabei, ihren Gaumen zu bilden. Ein Mann muss Laster haben, und zwar möglichst solche mit Niveau, sonst kann er im Alter von nichts erlöst werden. Ich werde Ihnen Gesellschaft leisten, zum Henker.«
Eine köstliche Qualmwolke hüllte uns ein.
»Vor ein paar Monaten war ich in Paris und hatte die Gelegenheit, einige Nachforschungen anzustellen zu dem Thema, das Sie vor längerer Zeit Sempere gegenüber erwähnt haben«, erklärte Barceló.
»Die Éditions de la Lumière.“
»Genau. Ich hätte gern etwas tiefer geschürft, aber leider sieht es so aus, als hätte seit der Schließung des Verlages niemand die Rechte übernommen, und so war es schwierig für mich, etwas Brauchbares zusammenzukratzen.«
»Sie sagen, er wurde geschlossen? Wann denn?« »1914, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht.« »Das muss ein Irrtum sein.«
»Nicht, wenn wir von den Éditions de la Lumière auf dem Boulevard Saint-Germain sprechen.« »Genau die.«
»Schauen Sie, ich habe mir alles genau aufgeschrieben, um nichts zu vergessen, wenn wir uns sähen.« Er kramte in seiner Schreibtischschublade und zog ein kleines Notizheft heraus. »Da hab ich’s: ›Éditions de la Lumière, Verlag für religiöse Texte mit Büros in Rom, Paris, London und Berlin. Gründer und Herausgeber: Andreas Corelli. Eröffnung des ersten Büros in Paris: 1881.‹«
»Unmöglich«, murmelte ich.
Barceló zuckte die Achseln.
»Na gut, ich kann mich geirrt haben, aber …«
»Konnten Sie die Geschäftsräume besuchen?«
»Ich habe es versucht – mein Hotel befand sich gegenüber dem Panthéon, ganz in der Nähe, und die ehemaligen Verlagsräume lagen auf der Südseite des Boulevards, zwischen der Rue Saint-Jacques und dem Boulevard Saint-Michel.«
»Und?«
»Das Haus stand leer und war zugemauert, und es sah aus, als hätte es einen Brand gegeben oder so. Das einzige noch Intakte war der Türklopfer, ein erlesenes Stück in Form eines Engels. Bronze, würde ich sagen. Ich hätte es mitgenommen, hätte mich nicht ein Gendarm argwöhnisch beobachtet, und ich hatte nicht den Mut, einen diplomatischen Zwischenfall auszulösen – nicht, dass Frankreich noch einmal einzufallen beschließt.«
»Wenn man sich so umsieht, würde es uns damit vielleicht sogar einen Dienst erweisen.«
»Jetzt, wo Sie es sagen … Aber um auf das Thema zurückzukommen – nachdem ich mir das alles angesehen hatte, ging ich in ein benachbartes Café, um nachzufragen, und man sagte mir, das Haus befinde sich seit über zwanzig Jahren in diesem Zustand.«
»Haben Sie etwas über den Verleger herausfinden können?«
»Corelli? Soweit ich verstanden habe, hat er den Verlag geschlossen, als er sich zur Ruhe setzte, obwohl er offenbar noch nicht einmal fünfzig war. Ich glaube, er zog in eine Villa im Süden Frankreichs, im Luberon, und starb kurze Zeit später. Ein Schlangenbiss, hieß es. Eine Viper. Und dafür zieht man sich in die Provence zurück.«
»Sind Sie sicher, dass er gestorben ist?«
»Père Coligny, ein ehemaliger Konkurrent, hat mir seine Todesanzeige gezeigt, die er wie eine Trophäe eingerahmt hatte. Er sagte, er schaue sie jeden Tag an, um sich daran zu erinnern, dass dieser verdammte Bastard tot und verscharrt sei. Wörtlich – obwohl es auf Französisch sehr viel schöner und melodischer klang.«
»Hat Coligny erwähnt, ob der Verleger Kinder hatte?«
»Ich hatte den Eindruck, dieser Corelli war nicht sein Lieblingsthema, und sobald er konnte, hat er sich mir entwunden. Anscheinend gab es einen Skandal, weil Corelli ihm einen seiner Autoren weggeschnappt hatte, einen gewissen Lambert.«
»Wie war das genau?«
»Das Amüsanteste an der ganzen Geschichte ist, dass Coligny Corelli gar nie zu Gesicht bekommen hat. Sie haben nur korrespondiert. Der springende Punkt war wohl der, dass Monsieur Lambert anscheinend einen Vertrag unterschrieben hatte, um für die Éditions de la Lumière hinter Colignys Rücken ein Buch zu verfassen, obwohl er mit Letzterem einen Exklusivvertrag hatte. Lambert war ein Opiumsüchtiger im Endstadium und hatte genug Schulden auf dem Buckel, um damit die Rue de Rivoli zu pflastern. Coligny argwöhnte, dass Corelli Lambert eine astronomische Summe angeboten und der arme, dem Tod nahe Mann angenommen hatte, damit seine Kinder ein Auskommen hätten.«
»Was für eine Art Buch?«
»Etwas mit religiösem Inhalt.
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