Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
»Nein.«
»Dann setz dich hin und schreibe. Du bist nicht hier, um Teller zu spülen und mir meine Sachen zu verstecken. Ich hab dich hier aufgenommen, weil du sagtest, du willst schreiben lernen, und weil ich der einzige Idiot bin, der dir dabei helfen kann.«
»Sie brauchen nicht gleich böse zu werden. Mir fehlt die Inspiration.«
»Die Inspiration kommt, wenn man sich hinter den Schreibtisch klemmt, den Hintern auf den Stuhl klebt und zu schwitzen beginnt. Such dir ein Thema und press dein Hirn aus, bis es dir wehtut. Das nennt man Inspiration.«
»Das Thema habe ich bereits.«
»Halleluja.«
»Ich werde über Sie schreiben.«
Es folgte eine lange Stille mit hin und her fliegenden Blicken wie bei zwei Gegnern, die sich übers Spielbrett hinweg mustern.
»Warum?«
»Weil ich Sie interessant finde. Und seltsam.« »Und älter.«
»Und empfindlich. Fast wie ein Junge meines Alters.«
Ganz gegen meinen Willen gewöhnte ich mich allmählich an Isabellas Gesellschaft, an ihre ätzenden Bemerkungen und das Licht, das sie in diese Wohnung gebracht hatte. Wenn das so weiterging, würden sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten und wir uns am Ende noch anfreunden.
»Und Sie, haben Sie schon ein Thema, bei all diesen Schmökern, die Sie da konsultieren?«
Ich dachte, je weniger ich ihr von meinem Auftrag erzähle, desto besser.
»Ich stecke noch in der Recherchephase.«
»Recherche? Und wie funktioniert das?«
»Indem man Tausende Seiten liest, um das Nötige zu lernen und zum Wesentlichen eines Themas vorzudringen, zu seiner emotionalen Wahrheit, und nachher verlernt man alles wieder, um bei null anzufangen.« Isabella seufzte.
»Was ist emotionale Wahrheit?«
»Die Ehrlichkeit in der Dichtung.«
»Dann muss man also ehrlich und ein guter Mensch sein, um zu dichten?«
»Nein. Man muss sein Handwerk beherrschen. Die emotionale Wahrheit ist keine moralische Eigenschaft, sie ist eine Technik.«
»Sie reden wie ein Wissenschaftler«, protestierte sie.
»Literatur, wenigstens die gute, ist eine Wissenschaft, die das Blut der Kunst in sich trägt. Wie die Architektur oder die Musik.«
»Ich dachte, sie sprieße einfach so aus dem Künstler hervor.«
»Das Einzige, was einfach so aus ihm hervorsprießt, sind die Haare und die Warzen.«
Isabella erwog diese Worte ohne große Überzeugung.
»Das sagen Sie alles nur, um mich zu entmutigen und damit ich nach Hause gehe.«
»Das wäre zu schön, um wahr zu sein.«
»Sie sind der schlechteste Lehrer der Welt.«
»Der Schüler macht den Lehrer, nicht umgekehrt.«
»Mit Ihnen kann man nicht diskutieren, Sie kennen sämtliche Schliche der Rhetorik. Das ist ungerecht.«
»Nichts ist gerecht. Das Höchste, was man anstreben kann, ist, dass es logisch ist. Die Gerechtigkeit ist eine seltene Krankheit in einer ansonsten kerngesunden Welt.«
»Amen. Ist es das, was passiert, wenn man älter wird? Dass man aufhört, an irgendetwas zu glauben, so wie Sie?«
»Nein. Auch wenn sie älter werden, glauben die meisten Menschen immer noch an Albernheiten, im Allgemeinen an immer größere. Ich schwimme gegen den Strom, weil ich den Leuten gern auf den Geist gehe.«
»Beschwören Sie es nicht. Wenn ich älter bin, werde ich noch immer an irgendetwas glauben.«
»Viel Glück.«
»Und zudem glaube ich an Sie.« Sie wich meinem Blick nicht aus. »Weil du mich nicht kennst.«
»Das glauben Sie. Sie sind nicht so geheimnisvoll, wie Sie meinen.«
»Ich will gar nicht geheimnisvoll sein.«
»Das war nur eine nette Umschreibung für unsympathisch. Auch ich kenne die eine oder andere rhetorische List.«
»Das ist keine Rhetorik. Das ist Ironie. Und das ist nicht dasselbe.«
»Müssen Sie eigentlich immer das letzte Wort haben?«
»Wenn man es mir so einfach macht, schon.« »Und dieser Mann, der Patron …« »Corelli?«
»Corelli. Macht er es Ihnen leicht?« »Nein. Corelli kennt noch mehr rhetorische Tricks als ich.«
»Dacht ich’s mir doch. Trauen Sie ihm?«
»Warum fragst du das?« »Ich weiß nicht. Trauen Sie ihm?« »Warum sollte ich ihm nicht trauen?« Sie zuckte die Achseln.
»Womit hat er Sie konkret beauftragt? Wollen Sie es mir nicht sagen?«
»Ich habe es dir doch schon gesagt. Ich soll ein Buch schreiben für seinen Verlag.«
»Einen Roman?«
»Nicht direkt. Eher eine Fabel. Eine Legende.« »Ein Kinderbuch?« »In etwa.«
»Und werden Sie es tun?«
»Er zahlt sehr gut.«
Isabella zog die Brauen zusammen.
»Darum
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