Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
unappetitlich.«
    Ich riss mich zusammen. »Schon verstanden. Ich soll nach Eridu und mich dort umschauen. Aber wenn ich wiederkomme, will ich auf der Stelle entlassen werden! Ohne Wenn und Aber. Ich habe mich jetzt lange genug auf der Erde herumgetrieben. Meine Substanz schmerzt wie ein eitriger Backenzahn.«
    Mein Herr grinste zahnlos, reckte mir das Kinn entgegen und wackelte wichtigtuerisch mit dem schrumpligen Zeigefinger. »Kommt ganz drauf an, was du mir bringst, Bartimäus. Wenn es dir gelingt, mich in Erstaunen zu versetzen, lasse ich dich vielleicht, vielleicht gehen. Also streng dich gefälligst an! Und jetzt – sei bereit. Ich werde dich nun an deinen Auftrag binden.«
    Mitten in der Beschwörungsformel erscholl das Horn unter dem Fenster. Das Kidrontor wurde geschlossen. Die Wachposten am Schaftor, am Gefängnistor und am Wassertor griffen das Signal auf, und so ging es einmal rund um die Stadtmauer, bis schließlich das große Horn auf dem Palastdach ertönte und ganz Jerusalem für die Nacht verriegelt war.
    Noch vor ein, zwei Jahren hätte ich darauf spekuliert, dass die Ablenkung meinen Herrn zu einem Versprecher verleiten würde, sodass ich mich auf ihn stürzen und ihn verschlingen konnte.
    Diese Hoffnung hatte ich längst aufgegeben. Er war zu alt und zu erfahren. Ich musste abwarten, bis ich ihn anderweitig überrumpeln konnte.
    Der Zauberer kam zum Ende, sprach die abschließenden Worte. Das hübsche Mädchen zerfloss und wurde durchsichtig. Einen Augenblick lang schwebte ich noch in meinem Pentagramm wie ein dunstiger Schemen, dann zerplatzte ich geräuschlos.
     

Bartimäus
     
    2
     
    G anz gleich wie oft man schon wandelnden Toten begegnet ist, man vergisst jedes Mal, wie bescheuert sie aussehen, wenn sie sich tatsächlich in Bewegung setzen. Klar, sobald sie aus einer Mauer treten, sehen sie erst mal scharf aus und sammeln Extrapunkte wegen der Schockwirkung, der klaffenden Augenhöhlen und malmenden Kiefer und manchmal (wenn der Wiederbelebungszauber allererste Sahne war) wegen ihres grausigen Geheuls. Aber dann tappen sie einem schwerfällig durch den Tempel hinterher, mit ruckelndem Becken und schlackernden Schenkelknochen, und strecken die fleischlosen Arme auf eine Art von sich, die einschüchternd wirken soll, aber eher den Eindruck macht, als wollten sie sich gleich ans Klavier setzen und einen fetzigen Boogie-Woogie in die Tasten hämmern. Und je mehr Tempo sie zulegen, desto lauter klappern ihre Zähne, desto öfter verfängt sich ihr hüpfender Halsschmuck in den Augenhöhlen, und dann stolpern sie noch über ihre Leichentücher und fallen hin und sind einem flinkfüßigen Dschinn, der es eilig hat, immerzu im Weg. Außerdem sind sie sehr wortkarg. Keins dieser Gerippe hat je einen flotten Spruch parat, der die lebensbedrohliche Lage, in der man sich in ihrer Gesellschaft befindet, ein bisschen auflockern würde.
    »Herrschaftszeiten«, begrüßte ich sie durch das Loch in der gewölbten Decke, an dessen Rand ich mich mit einer Hand festhielt, »ist denn hier keiner, mit dem man mal vernünftig quatschen kann?« Mit der freien Hand feuerte ich einen Plasmablitz ab, der vor den Füßen eines Untoten ein Loch riss. Ein Schritt und der Kerl war in der Versenkung verschwunden. Ich stieß mich ab, sprang quer durch den Tempelsaal und landete gelenkig auf einem Standbild des Gottes Enki.
    Von links kam ein mumifizierter Leichnam aus seiner Wandnische geschlurft. Er trug ein Sklavengewand und um den ledrigen Hals ein rostiges Eisenband mit einer Kette dran. Mit knarzenden Gelenken stürzte er sich auf mich. Ich ruckte einmal kräftig an der Kette und ploink – sein Kopf fiel ab. Ich fing den Schädel auf, während der Rest zusammenbrach, und kegelte ihn treffsicher gegen die nächste Mumie, der prompt das Rückgrat entzweiknackte.
    Dann sprang ich von dem Götterbild herunter in die Saalmitte. Die Untoten näherten sich jetzt von allen Seiten. Ihre Gewänder waren hauchdünn wie Spinnweben, an ihren Handgelenken klirrten Bronzereifen. Einst waren sie lebendige Männer und Frauen gewesen – Sklaven, Freie, Höflinge und niedere Priester, Mitglieder aller Gesellschaftsschichten von Eridu –, aber jetzt bedrängten sie mich mit gebleckten Zähnen und schartigen gelben Fingernägeln und wollten meine Substanz in Stücke reißen.
    Ich bin von Natur aus höflich und verhielt mich angemessen entgegenkommend. Eine Detonation nach links, einen Schüttelkrampf nach rechts. Es hagelte munter

Weitere Kostenlose Bücher