Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
mit der Zunge über die Lippen. Seine Vorsicht kämpfte mit seiner Neugier – und verlor. »Nicht die… was?«
»Das geht mich nichts an und Euch auch nicht. Außerdem soll ich doch still sein und Euch nicht stören.«
Mein Herr stieß einen wüsten Fluch aus. »Ich widerrufe diesen Befehl! Sprich!«
»Nein!« Ich hob abwehrend die Hände. »Ich kenne euch Zauberer und ich will nichts mit der Sache zu tun haben! Auf der einen Seite Salomo mit seinem furchtbaren Ring und auf der anderen Seite Ihr mit… mit…« Das Mädchen erschauerte jäh. »Nein, da werde ich bloß zwischen den Fronten zerrieben.«
Blaue Flammen loderten auf der ausgestreckten Handfläche des Zauberers. »Schluss mit der Verzögerungstaktik, Bartimäus. Sag mir sofort, was es mit der Figur auf sich hat, oder du bekommst die Substanzfaust zu spüren.«
»Ihr würdet gegen eine Maid die Hand erheben?«
»Rede!«
»Na, von mir aus, aber ich tue Euch damit bestimmt keinen Gefallen. Die Figur hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Großen Schlange, mit deren Hilfe die einstigen Könige von Eridu benachbarte Städte erobert haben. Die Große Schlange beherbergte einen mächtigen Geist, der dazu verdammt war, den Wünschen seines Herrn und Meisters Folge zu leisten.«
»Und sein Herr war…?«
»Wer immer die Figur in der Hand hielt, schätze ich. Man trat mit dem Geist in Verbindung, indem man einen geheimen Mechanismus auslöste.«
Der Zauberer musterte mich prüfend. Dann sagte er: »Diese Geschichte habe ich noch nie gehört. Du lügst.«
»Klar lüge ich, ich bin doch ein Dämon! Vergesst die Sache einfach und schenkt das Ding Salomo.«
»Nein«, sagte der Alte mit plötzlicher Entschlossenheit. »Da hast du es wieder.«
»Hä?« Aber er hatte die Schlange schon in Richtung des Pentagramms geworfen, wo sie das Mädchen widerstrebend auffing.
»Willst du mich für dumm verkaufen, Bartimäus?«, zeterte mein Herr und stampfte mit dem runzligen Fuß auf den Marmorfußboden. »Du willst mich reinlegen! Du willst mich verleiten, den Mechanismus auszuprobieren, weil du hoffst, es wäre mein Untergang! Aber ich drücke auf keinen dieser Buckel – das überlasse ich dir!«
Das Mädchen schaute den Zauberer mit großen braunen Augen an. »Das muss doch nicht sein…«
»Gehorche!«
Widerwillig hob ich die Schlange vor die Augen und betrachtete die Erhebungen auf ihren Klauen. Es waren drei an der Zahl. Auf jeder prangte ein Smaragd. Ich wählte die hinterste und drückte vorsichtig drauf. Es schnarrte leise, und die Schlange verpasste mir einen elektrischen Schlag, der meine Substanz erschütterte und die prächtigen langen Haare des Mädchens wie bei einer Klobürste abstehen ließ.
Der Alte brüllte vor Lachen. »Das hätte dir so passen können, was?«, schnaufte er. »Lass es dir eine Lehre sein! Los, weiter!«
Ich drückte auf die nächste Erhebung. Mehrere goldene Schlangenschuppen klappten auf und gaben verborgene Zahnräder frei. Kleine Wolken teerhaltigen Rauchs stiegen mir ins Gesicht. Auch diesem Mechanismus hatten die Jahrhunderte zugesetzt, sodass lediglich meine Wangen ein wenig schwarz wurden.
Mein Herr konnte sich vor Heiterkeit kaum halten. »Das wird ja immer besser«, krähte er. »Wie du aussiehst! Jetzt Nummer drei.«
Der dritte Smaragd sollte wohl einen Strahl Giftgas auslösen, aber davon waren nur noch eine blassgrüne Wolke und ein übler Geruch erhalten.
»Ihr habt Euch köstlich amüsiert«, sagte ich seufzend und hielt ihm die Schlange wieder hin. »Jetzt entlasst mich oder schickt mich meinetwegen wieder los oder tut, was immer Ihr mit mir vorhabt. Aber lasst mich mit dieser Figur in Ruhe, mir reicht’s.«
Doch das gesunde Auge des Zauberers funkelte tückisch. »Nicht so eilig, Bartimäus. Du hast den Schwanz vergessen.«
»Ich wüsste nicht…«
»Bist du blind? Dort ist auch ein Scharnier! Sei so gut und drück mal drauf.«
»Muss das sein? Ich hab jetzt wirklich genug.«
»Keine Widerrede, Bartimäus. Vielleicht betätigt dieses Scharnier ja den ›Geheimmechanismus‹, von dem du vorhin erzählt hast. Vielleicht zeigt sich ja dann der sagenhafte ›mächtige Geist‹.« Der Alte grinste schadenfroh und verschränkte die dürren Arme. »Oder es zeigt sich wieder einmal, dass es sich nicht lohnt, mir zu widersprechen! Mach schon! Drück auf den Schwanz!«
»Aber…«
»Ich befehle dir, auf den Schwanz der Figur zu drücken!«
»Okay, okay.« Darauf hatte ich es die ganze Zeit angelegt. Das
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