Batmans Schoenheit
ursprünglicher Name, Hemingway, zuerst Ernest, dann Ernst, löste sich auf, wenn schon nicht in Nichts, dann doch in Rauch. Der Rauch verteilte sich und schien wie nie geschaut.
Man kann vielleicht sagen, daß Red mit keinem seiner Werke nur annähernd so erfolgreich war wie mit der Inthronisation dieses einprägsamen Künstlernamens sowie der völligen Verbergung, ja Entsorgung dessen, wie er einst geheißen hatte und gerufen worden war. Es war ihm gelungen, das Vorher strikt vom Nachher zu trennen. Niemand aus den Kreisen, in denen er sich nun bewegte, erfuhr etwas über Reds Elternhaus und die Verhältnisse seiner Kindheit und Jugend. Freilich war dieses neue Umfeld auch wenig interessiert an solchen Dingen. Darin bestand ja ein nicht geringer Reiz der Boheme, diese gewisse Biographielosigkeit, diese Eliminierung uncharismatischer Daten zugunsten einer gegenwärtigen und vom Mief bürgerlicher Hintergründe befreiten künstlerischen und lebenskünstlerischen Aktion.
Red hatte sich ein Atelier in Hamburg-Eppendorf gemietet. Nun, eher war es eine kleine Wohnung, die er Atelier nannte und wo er im ständigen Krieg mit seinen Nachbarn lebte, die hinter ihren Spionen standen (ihren ins Türholz gebohrten Pupillen), das Stiegenhaus kontrollierten und sich lautstark beschwerten über den Lärm und den Dreck und die ganzen Fundsachen, die Red im Treppenhaus lagerte. Nicht, daß in seinem »Atelier« irgendwelche Orgien abliefen, auch wenn Red gegen Orgien nichts gehabt hätte. Aber die Frauen zu Beginn der neunziger Jahre waren dank verschiedener ungünstiger Entwicklungen wieder in eine alte Prüderie zurückgefallen, eine Prüderie, die zwar nicht unsexy war, kokett und ein wenig pervers – das Motto der Epoche lautete: Reizwäsche für alle! –, aber eben eine hohe Mauer um die Orgienbereitschaft der jungen Männer errichtet hatte. Darum der viele Alkohol und die vielen Zigaretten und die vielen langen Gespräche.
Richtig, es war die letzte große Phase des Rauchens und des Diskutierens. In Bezug auf Reds Kunst galt allerdings, was Clive Owen im Film Children of Men auf Julianne Moores rhetorische Frage »Du rauchst?« antwortet: »Ja, bringt aber nichts.«
In der Tat, obwohl Red gerade erst am Beginn seiner Karriere stand und durchaus über Willenskraft, einiges Talent und nicht zuletzt Ehrgeiz und Fleiß verfügte, ahnte er, daß es niemals reichen würde, ein herausragendes Werk zu schaffen. Eines, das die Leute umhaute, wenigstens die Kritiker umhaute, was dann in der Folge die Sammler – welche sich freilich von gar nichts und gar niemand umhauen ließen – immerhin dazu animierte, ihre großen Portemonnaies aus der Tasche zu ziehen. Wobei es Red nicht in erster Linie ums Geld ging, sondern um Anerkennung. Für etwas Ruhm wäre er bereit gewesen, bis in alle Ewigkeit den Kleinkrieg mit seinen Nachbarn zu erdulden. Aber im Leben, erst recht im Künstlerleben, gilt die Regel vom Alles-oder-nichts. Wenn die Anerkennung kommt, kommt eben auch das Geld, oder wenigstens meistens. Kommt kein Geld, bleibt dafür der Kleinkrieg.
Doch wer sagt denn, daß man Künstler sein muß, um seine Vergangenheit in die Ecke zu stellen?
Klar, daß der hinter den Ohren grüne Red noch nicht soweit war, der eigenen Ahnung zu folgen und die ganze Kunst an den Nagel zu hängen. Im Gegenteil. Gemäß denen, die bei Beginn einer Krankheit sich todesmutig und auch ein wenig irrsinnig in die Arbeit stürzen, schuf Red ein Werk nach dem anderen, sprach bei Galerien vor, bewarb sich um Preise und Stipendien und war ja auch nicht völlig erfolglos. Durchaus zu recht, denn wie gesagt, Fleiß und Talent waren vorhanden. Er zeigte seine Arbeiten in Gruppenausstellungen, erwarb sich die eine oder andere kleine Aufmerksamkeit durch Kritiker, die freilich auch gerade erst begonnen hatten, Kritiker zu sein, und manchmal verkaufte er sogar ein Objekt. Davon konnte er natürlich nicht leben und mußte sich deshalb die halbe Woche lang als Nachtportier in einem kleinen Hotel verdingen. So ein Geheimtiphotel, wohin sich Herren begaben, wenn sie von niemand gesehen werden wollten. Darum auch hatte Red den Job bekommen, weil man überzeugt war, daß es ihn in keiner Weise interessierte, wer hier mit wem abstieg. Er war ohnehin die meiste Zeit in irgendwelche Kunstmagazine vertieft, eigentlich nur, um sich in selbstquälerischer Weise zu züchtigen. Denn was ihm als »große neue Kunst« entgegenschlug, schien ihm selten besser als die eigene
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