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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ganz und gar nicht dumm.
    Ganz anders die Schauspieler, die sich sämtlich für den Mittelpunkt der Erde hielten und dabei der Ansicht waren, nichts weniger als die Wahrheit zu verkörpern. Die Wahrheit des Lebens, während sie in Wirklichkeit allein die Wahrheit des Schauspiels, der Schauspielerei, des Als-ob vertraten: Tränen, die keine waren, falsches Lachen, falsche Wut, falscher Mut und falsche Feigheit, vor allem falsche Liebe. Alles, was sie darboten, war im wahrsten Sinne gespielt, die reine Pose, echt bloß die Künstlichkeit, mit der sie Gefühle vorspiegelten, zu denen sie nie und nimmer im Stande waren. Wer Schauspieler wird, verliert seine Gefühle, hat möglicherweise nie welche besessen, weil er ja sonst kein Schauspieler geworden wäre.
    Der wohl stärkste Ausdruck eines Schauspielers ist jener falscher Bescheidenheit, etwa Demut vor dem Stück oder dem Publikum, während der Schauspieler nichts anderes im Sinn hat, als das Publikum zu verhexen, auch wenn er es »verzaubern« nennt, aber wie gesagt, er lügt, sobald er den Mund aufmacht. Wieso Autoren Dramatiker werden und somit Schauspielern zu ihren Rollen verhelfen, ist eine gute Frage, aber Cheng konnte sie nicht beantworten. Er empfand bloß einen Ekel vor dem Theater, so wie Lena beim Anblick der ausgewachsenen Krebse. Bei Krebsen wie bei Schauspielern konnte bereits ein einziger Zentimeter dazu führen, einen Horror zu erzeugen.
    Die Umstände der Ermordung, wie jetzt der Nachrichtensprecher erklärte, würden sich noch im Dunklen befinden. Eine Beziehungstat werde allerdings derzeit ausgeschlossen, da die Machart der Tötung einen professionellen Hintergrund nahelege.
    Cheng grinste verächtlich. Er hatte es in seinem Leben als Detektiv des öfteren erlebt, daß gerade die Verbrechen aus Leidenschaft oder im Zuge familiärer Auseinandersetzungen mit der größten Ruhe und Sorgfalt, ja man könnte sagen, auf eine handwerkliche Weise vollzogen wurden, während umgekehrt nicht wenige der sogenannten Profis Blutbäder anrichteten, als seien sie total meschugge. Manche Profis waren wie Schauspieler, die das Leben spielten, es aber nicht beherrschten. Jedenfalls bedeutete für Cheng eine kaltblütig und sachlich anmutende Hinrichtung nicht, man könne einen Laien oder ein intimes Verhältnis zwischen Täter und Opfer ausschließen. Übersicht war so wenig ein Privileg der Profis wie Raserei eins der Privatiers. Was übrigens auch für den Bereich der Wirtschaft in beträchtlichem Maße galt.
    Was soll’s? Nur, weil er einmal Detektiv gewesen war, brauchte es ihn nicht zu kümmern, was Menschen Menschen antaten. Nachrichten waren für ihn nichts anders als bewegte Gemälde im nüchternen Rahmen eines wurstscheibenartig flachen Geräts. Es gab solche und solche Gemälde, doch aus Farbe waren sie alle.
    Cheng sah sich in der Folge noch ein Fußballspiel an, schaltete aber in der Halbzeit aus, nahm sein Beckettbuch und legte sich zu Ginette ins Bett.
    »Ich habe es gerade im Radio gehört«, sagte Ginette. »Der Winter ist tot.«
    Jahreszeitlich gesprochen war das natürlich ein wenig eine Tautologie, wenn man bedachte, daß der Winter an sich das Sterben, das Begrabensein, das Ende darstellte und Ginettes Äußerung so klang, als hätte sie von einem toten Tod gleich einem lebenden Leben gesprochen. Aber sie meinte natürlich den Schauspieler. Ja, sein Name war Erich Winter. Ginette sagte: »Ein häßliches Gesicht, aber eine schöne Stimme.«
    Mein Gott, wie perfekt Ginette die Dinge auf den Punkt zu bringen verstand. Im Grunde konnte man ihre Definition auf fast alle Schauspieler, männlich wie weiblich, anwenden. Mehr Fratzen als Gesichter, aber die Stimmen hatten es wahrlich in sich, egal, was da geschwätzt wurde. Die Stimmen waren es, die das Publikum verführten. Schauspieler waren Sirenen. − Menschen, die ins Theater gingen, dachte Cheng, sollten sich eigentlich die Ohren zuhalten.
    Mit einem kleinen Seufzer, als könnte man seufzend eine Wahrheit in die Luft schreiben, nahm er sein Buch, schlug es auf und benutzte es wie eine Sprungschanze, um hinunter in den Schlaf zu stürzen.
    Ginette durfte wie immer ausschlafen. Sie arbeitete Teilzeit, als Sekretärin in einem Verlag, wo sie erst am frühen Nachmittag begann. Es bedeutete für Cheng durchaus ein Vergnügen, seine geliebte Frau im Bett zu belassen, wo sie bestens aufgehoben schien. Zumindest legten ihre Züge – ihr vollendetes Schlafgesicht – nahe, daß ihre Träume ohne Alp

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