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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Waden ragten in die Luft, im nächsten Augenblick würde sie
fliegen. Ach, sie öffnete einen Knopf an ihrer Bluse, und noch einen, ihr
Lieblingsroman kommt ihr in den Sinn, Die Herrin von
Czachtice, über Elzbieta Bathory, die im Blut
junger Mädchen badete. Sie saugte es ihnen bis zum letzten süßen Tropfen aus.
In der eisernen Jungfrau, einem innen mit Stacheln besetzten Schrank, schloss
sie sie ein, ach Jungfrau Hering, hätte ich doch auch so einen Schrank!
Magister Demon brachte Iwona der Hinrichtung noch einen Schritt näher, indem
sie eine weitere Fünf neben ihrem Namen eintrug. Die Schüler waren inzwischen
zu groß, um auf den Hintern geschlagen zu werden, und so ein Tadzio Wolocha aus
der vorletzten Klasse oder der sie um einen Kopf überragende Adrian Pypec,
dessen Vater schon wieder im Gefängnis saß, hätten sich ärgern und es ihr
heimzahlen können, wenn nicht in der Klasse, dann nach dem Unterricht. Deshalb
richtete Magister Demon ihre ganze Energie darauf, diejenigen, die nichts
heimzahlen konnten, mit Worten zu quälen. Sie schoss die Pfeile ihrer Worte ab
und prüfte, wo sie am tiefsten und am schmerzhaftesten eindrangen, es machte
keinen Spaß, wenn die Spitze von der Wand abprallte oder, was noch schlimmer
war, abbrach. Iwona Sledz, die sogar nachdenken musste, bevor sie beim Abfragen
der Anwesenheit Hier! sagte und dabei ganz verwundert aussah, dass sie, Iwona
Sledz, da war - was für eine Zielscheibe! Sie wich nicht aus, ihr Körper war
das fleischigrosige Ziel, in das Magister Demon mit Genuss ihre Pfeile schoss,
und nach jeder Unterrichtsstunde sah das Mädchen aus wie der heilige Sebastian.
    Dominika und
Iwona waren froh, als General Jaruzelski in diesem Winter den Kriegszustand
erklärte. Krieg bedeutete für sie, dass sie nicht in die Schule gehen mussten,
der Krieg bewahrte sie vor Wunden. Im Babel brodelte es. Alle kamen aus den
Wohnungen, um sich zu vergewissern, dass in den Fernsehern der Nachbarn
derselbe Militär mit schwarzer Brille aufgetaucht war. Was Jadzia anging, so
glaubte sie im Grunde an die ehrlichen Absichten des Generals, die Tatsache,
dass er kein guter Redner war, rührte sie, denn man sah, dass sich der arme
Kerl schrecklich aufregte. Sie war deshalb bestürzt über den Zorn einiger
Nachbarn, die ihn Kommunistenschwein nannten, doch sie behielt ihre Meinung für
sich, wozu sie jemandem aufdrängen, der lieber eine andere hatte. Wer sich
nicht aus dem Fenster lehnt, dem tun sie auch nichts, beruhigte Stefan sie und
vielleicht auch sich selbst. Er räumte ein, dass dieser Jaruzelski tatsächlich
etwas stur wäre, aber er sah aus, als könnte er Ordnung schaffen, denn da oben
an der Küste hatten sie wirklich über die Stränge geschlagen, und wie. Wozu
mussten sie sich so aufführen? Wozu sich so rauslehnen? Höher als sein Arsch
springt keiner. Aber Ordnung kehrte keine ein, die Heizung fiel aus, der Strom
wurde abgestellt, der Kran spuckte eisiges Wasser und vertrocknete dann
gänzlich. An den Fensterscheiben erblühten die Eisblumen und glitzerten im Kerzenlicht,
die Familien vom Babel krochen mit Hunden und Omas zusammen in gemeinsame
Federbetten, die Kinder lagen zwischen Mutter und Vater, damit sie nicht
erfroren. Morgens stand keine Milch vor der Tür, und in den Bäckereien fehlte
es an Brot. Jadzia musste in der Kirche weinen, als Pfarrer Postronek
donnerte, so wie die ungläubigen Hunnen die heilige Ursula und die elftausend
Jungfrauen, so würden die Roten Polen, unser Vaterland, mit Stumpf und Stiel
ausrotten. Das ist wegen der roten Pest, sagte sie, wenn sie zum Mittagessen
Kartoffelsuppe und dünn mit Schmalz bestrichenes Brot austeilte, und ihre
anfängliche Sympathie für den tüchtigen General, der beim Retten des Vaterlands
so in Rage kam, geriet in Vergessenheit. Guck dir diesen Affen an, diesen
Esel, diese blinde Krähe, zischte sie von nun an durch die zusammengepressten
Lippen, wenn Jaruzelski im Fernsehen erschien. Nur den Russen den Arsch
lecken, das kann er. Um zwei Rubel hat er uns verkauft! Alle gucken doch nur,
wie sie an die Fleischtöpfe kommen und einen anständigen Menschen an die Wand
drücken, pflichtete Stefan ihr bei.
    Allein Dominika
beschwerte sich nicht in diesem Winter, der Piaskowa Gora bis zum ersten Stock
im Schnee versinken ließ, sodass Gänge geschaufelt werden mussten, damit man
zum Laden an der Ecke gehen konnte. Von oben sah man nur eine weiße Fläche, aus
der wie graue Inseln die Hochhäuser ragten. Auf demselben Weg

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