Bator, Joanna
wie einst mit
Dimitri, vorbei an dem wie polierter Basalt glänzenden Kleinen See, stieg sie
den Abhang der Halde hinauf. Dort, wo sich der meiste Schnee gesammelt hatte,
der auf der Oberfläche harschig, darunter aber weich war, buddelte sie eine
Grube, die groß genug für ein mageres Mädchen war. Die Kunst bestand darin,
hinterher den Zugang so abzudecken, dass der Innenraum in ein bläuliches
Dämmerlicht getaucht wurde. Wenn die Welt verschwunden war, taten sich unter
dem Schnee Gänge auf, die mit den herrlichsten Glassplittern ausgelegt waren,
türkisblaue Wege direkt nach Bula-Bula, violette Wege dorthin, wo man zu den
Hübschesten in der Klasse gehört, rubinrote Wege zu Rachatlukum mit
Rosensirup, zu warmen Meeren. Die Knie ans Kinn gezogen und die Hände in den
Jackenärmeln versteckt, saß Dominika dort so lange, bis ihre Finger erstarrten
und die unter der Mütze hervorquellenden kaffeebraunen Haarsträhnen von dem
gefrorenen Atem vereisten. Jedes Mal, wenn sie schließlich aus ihrer Grube
stieg und in das grelle Tageslicht blinzelte, hatte sie das Gefühl, dort, unter
dem Schnee, etwas zurückgelassen zu haben, das sie nie wiederfinden würde.
***
Stefan
beteiligte sich nicht an den Streitereien von Mutter und Tochter. Er huschte
zwischen den beiden hindurch, spielte eine Schleichpantomime mit gekrümmten
Schultern und eingezogenem Kopf, den Zeigefinger an die Lippen gelegt. Er
machte es sich in seinem Nest vor dem Fernseher bequem, zog die Vorhänge vor,
rückte die Antenne hin und her, denn das Bild war wieder hinüber, und gleich
kamen die Lottozahlen. Sonntags sah er aus verschwiemelten Augen und in
Bierdunst gehüllt die nachmittägliche Natursendung. An sonnigen Tagen lag das
Esszimmer der Chmuras hinter den zugezogenen Vorhängen in einem ungesunden
Licht, das trübe war wie schmutziges Wasser. Stefan langte nach der Flasche
hinter dem Sofa, nahm den ersten Ertrinkensschluck, versteckte sie nach jedem
Schluck wieder vor seinem Durst hinter dem Sofa, ein Kampf, den er unentwegt
wieder aufs neue verlor. Auf dem Bildschirm verspritzten Taranteln ihr Gift,
Schildkröten legten Eier auf fernen Stränden, und Stefan erinnerte sich an die
Zeiten, als es in ihm kribbelte, an die erste und letzte Bierkneipe, an der er
teilgenommen hatte, als Genosse Gierek regierte, und der, hoho, der konnte
regieren, damals gab es alles. Ein Bergmann, der galt etwas. Als Ingenieur
Waciak bei der Kneipe im Bergmannshelm Geld für eine Ferienkolonie sammelte,
in der arme Kinder sich vom Walbrzycher Gestank erholen und saubere Luft mit
Jod einatmen sollten, gab Stefan, was er im Portemonnaie hatte, nicht einmal
mehr den Fahrschein konnte er bezahlen. Denkt nicht, dass wir einen prellen
wollen, verdammt noch mal, wollt ihr helfen? Verdammt noch mal, ja, wir wollen
helfen! Wie konnte man nichts geben? Die Schönheit des Augenblicks wurde ihm
von Waciak für alle Ewigkeit in die Schultern eingeklopft, wie einen der
Seinen, wie seinesgleichen hatte er ihn geklopft, doch heute, wo er sich was
in Szczawno Zdröj gebaut hat, erwiderte er nicht mal seinen Gruß, tat so, als
sehe er ihn nicht. Auf dem schneegestöbernden Bildschirm schlüpften aus den
Schildkröteneiern winzige Schildkröten mit weichen Panzern und eilten zum Meer,
versuchten, es zu erreichen, bevor sie aufgefressen wurden, und Stefan trank
den letzten Schluck aus der Flasche. Bevor er mit dem Gesicht im Aschenbecher
einschlief, rief er manchmal Jadzia oder Dominika, komm, guck mal, was dieses
Reptil für einen Kopf hat, doch weder Frau noch Tochter teilten sein Interesse
an exotischen Spinnen und Reptilien.
Jadzia war es,
die dafür sorgte, dass sich die Gepflogenheiten ihres Mannes änderten und er
nicht mehr draußen trank, sondern sich mit seinem Laster dort verkroch, wo er
keine Schande machte. Besser hielt man die Schande im eigenen Heim, warum sie
unter die Leute tragen? Wenn du schon nicht anders kannst, dann betrink dich
ordentlich zu Hause, anstatt draußen für jedermann sichtbar zu stehen und
unter einen Baum zu pissen, belehrte ihn seine Frau. Je mehr er verkümmerte und
verblasste, desto größer und bestimmter wurde sie. Stefan, aus der Rolle des
Ernährer-Vaters, der der Familie Stolz und Nahrung bringt, verdrängt, stand
jetzt auf einem Nebengleis ihres Lebens, und seine Frau übernahm das Ruder.
Jadzias stachelbeergrüne Augen verloren ihre Weichheit, sie saßen in ihrem
Gesicht wie zwei Glaskugeln, die sich unabhängig voneinander hin-
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