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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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und
herdrehten und denen nichts entging. Um wieder reinzuholen, was der Gatte und
Ernährer durchs Saufen vertat, polierte sie ihre in jungen Jahren erworbene
Fähigkeit, Spritzen zu setzen, auf; sie stach nun in die Hinterbacken kranker
Frauen vom Babel und beschwerte sich hinterher über ihre mangelhafte Hygiene
und ihre schmutzigen Unterhosen. Ihre kranke Hand war in der hausfraulichen
Rehatherapie beim Teigkneten und Piroggenformen wieder beweglicher geworden.
Bis sie richtig in Übung war, hinterließ sie allerdings Blutergüsse auf den
zellulitisch gefurchten Körpern, aber sie nahm weniger als eine private
Krankenschwester, und ihre Säuberlichkeit und ihr Essiggeruch wirkten
vertrauenerweckend. Das verdiente Geld, echter als ihr Gehalt, hielt sie unter
Verschluss in einer Schatulle, das gehörte ihr. Wenn Jadzia nachts aufwachte,
leuchtete die von einer Pilgerreise nach Tschenstochau mitgebrachte
Muttergottesfigur grünlich wie Phosphor. Mich kann man nicht mehr so einfach an
die Wand drücken, sagte sie. Jadzias Königreich beschränkte sich nicht mehr
auf die Küche, es umfasste nun auch Esszimmer und Flur, das Zimmerchen der
Tochter war ihr Lehen. Sie schritt ihr Gut mit Schrubber und Putzlappen ab,
stellte die Väschen von Cepelia, die Wloclaweker Keramiken in Reih und Glied,
das alles gehörte ihr. Ihr gehörte das im Wäscheschrank angehäufte Bettzeug
und die darunter versteckten vier Goldringe. In aller Einsamkeit probierte sie
diese an ihren vom Scheuern, Desinfizieren, Selbstaufopfern kaputten Fingern
an, sie, Königin Jadwiga von Piaskowa Göra. Sie behängte sich mit Kunstperlen
aus Jablonex, die so manchen Bergmannsball im Cafe-Club Barbara gesehen
hatten, wickelte Holzperlenschnüre um ihre Arme, klirrte mit kupfernen
Ohrringen. In dem Maße, in dem Stefan in einem Gefühl der Ohnmacht versank,
während die letzten Kribbelbläschen auf seinem Säuferatem platzten, wurde
Jadzia flinker, ihre Bewegungen wurden sicherer, ihre Stimme kräftiger. Sie
konnte sich schon so an der Haltestelle aufbauen, als wollte sie den Autobus
auf die Hörner nehmen, und sicherte sich auch im größten Gedränge einen
Sitzplatz. Im Fleischerladen fasste sie die Rindsstücke für die Suppe bereits
aus großer Entfernung mit Raubvogelblick ins Auge und schlug auch gleich,
zwischen zwei anderen Interessentinnen, ihre Krallen hinein. Was drängeln Sie
sich denn hier vor? In der Schlange um Strumpfhosen ging sie angesichts von
Dreistigkeit zum Gegenangriff aus der Hüfte über und gewann. Herzchen, Sie
haben hier nicht gestanden! Wie, gestanden? Von wegen gestanden! Vielleicht
hat sie geträumt, dass sie da gestanden hat. Auf der Arbeit bot sie zum ersten
Mal der Unsympathischen die Stirn, als diese sie anwies, das Fenster zu
schließen. Wenns Ihnen zieht, machen Sie's selber zu, knurrte sie, und die
Unsympathische sah sie an und murmelte nur: Ist ja schon gut. Sie hatte immer
weniger Ähnlichkeit mit der Dziuneczka, die mit ihrem Pappköfferchen in
Walbrzych angekommen war und in Gesellschaft höchstens »Ojeh!« sagen konnte. Still,
Junge, wies sie Stefan zurecht, wenn es mal vorkam, dass er die Stimme erhob.
Halt bloß dein Maul, ohne mich würdest du vor Hunger und Dreck verrecken. Wenn
Stefan seine Kartenration vertrunken hatte, wagte sie sich in Pypecs
Diebeshöhle, tauschte Fleisch gegen Selbstgebrannten bei der Lepka, und Stefan
nahm jeden Abend die Flasche aus dem Küchenschrank, aber so, dass seine Frau es
nicht sah. Er schloss sich mit der Flasche im Zimmer ein, obwohl er um keinen
Preis zugegeben hätte, dass er so lieber trank, in seinem Nest auf dem Sofa,
ganz allein mit seinem Gefühl, an die Wand gedrückt worden zu sein, allein mit
seinem immer wieder spleißenden Gedankenfaden. Der vom Alkohol betäubte
Bandwurm war eingeschlafen, er saugte ihn nicht von innen aus, und Stefan erholte
sich kurzfristig von all dem, was offensichtlich seine Kräfte überstieg. Er
erzählte seiner Frau nicht, dass bei den Sendungen über Spinnen oder Reptilien
die Tiere manchmal aus dem Fernseher herauskamen, sie schauten ihn an,
attackierten ihn aber nicht, nein, sie versteckten sich unter der Couch, hinter
der Schrankwand, zwängten sich unter den Fußbodenbelag, der sich von der Wand
gelöst hatte. Jadzia würde ihm nicht glauben. Hinter der geschlossenen Tür
hörte er ihre Stimmen, die seiner Frau und seiner Tochter, und kurz vor der
Schwelle zu einem wichtigen Versprechen, das er — so viel war ihm bewusst —
ihnen

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