Bator, Joanna
Augen
wie Jadzia. Sie schaute in den Abfallkorb im Bad, wo die blutigen Spuren der
Menstruation gleichzeitig Neid und Ekel in ihr weckten, doch sie konnte das
Rätsel ihrer Verschiedenheit voneinander nicht lösen. Sie wusste nicht, dass
die Mutter mit der gleichen Neugier in ihren Schulranzen und ihr Federmäppchen
schaute, in ihre Jackentaschen und in die Schubfächer, wo sie unter den
unordentlich hineingestopften Hosen und Röcken auch eine Antwort zu finden
hoffte, aber sie fand nur ein aus der Bravo ausgeschnittenes Foto von Boy George. Was ist das denn für ein
Homo-dingsbums? wunderte sich Jadzia. Einmal ging sie mit Dominika und Iwona
Sledz Eis essen, und eine entfernte Bekannte aus dem Büro, die sie dort traf,
hielt Iwona für ihre Tochter. Nein, was für eine Ähnlichkeit!, und die arme
Frau Chmura versank fast in den Boden vor Scham, als sie sagte: Nein, die
andere.
Dominika spürt,
dass zwischen ihr und Jadzia eine Schnur gespannt ist, deren Enden in ihnen
beiden verwachsen sind und Wurzeln geschlagen haben, das ist stärker als die
Nabelschnur, die man durchschneiden und zu einem Knoten binden kann, sodass nur
noch eine Narbe bleibt. Die Enden der Schnur, die sie mit Jadza verbindet,
haben so starke Wurzeln wie die Pappeln, die auf dem Promenierweg am Babel den
Asphalt aufwerfen. Je mehr die Mutter in ihre Richtung zieht, desto mehr will
sich die Tochter entfernen. Du stellst meine Geduld auf die Probe, sagt Jadzia,
noch einen Augenblick, und mir reißt der Geduldsfaden, dann geh ich an die
Decke - doch Dominika zieht aus Leibeskräften, denn die Geduld der Mutter ist
stark, fest verwurzelt und fett. Sie lehnt sich aus dem Fenster im neunten
Stock, die Schnur zerrt sie zurück: Lehn dich nicht aus dem Fenster! Sie kauft
heimlich Sonnenblumenkerne von den alten Frauen am Markt, obwohl Jadzia es
verboten hat, das ist ansteckender Dreck, sagt sie, diese Schmutzfinken bohren
in der Nase und pulen dann mit den Pfoten die Kerne raus. Dominika isst eine
ganze Tüte, ihr wird schlecht, aber die Schnur hält. Auf dem neunten Stock von
Stiegenhaus Nummer fünfzehn im Babel knallen manchmal die Türen, Fäuste
hämmern gegen die Wand, dass die Haut auf den Knöcheln platzt. Jedes Zerren an
der Schnur zerreißt etwas in ihrem Innern, diese Risse füllen sich mit Blut wie
Seen, die in der Dunkelheit glänzen. Jadzia will, dass Dominika so ist wie sie,
und der wachsende Abstand schürt den in ihr glimmenden Zorn. So eine Spinnerin.
Je länger und dünner Dominika wird, je krauser und dicker ihr Haar, desto mehr
kommt Jadzia in Rage, als wären die Knochigkeit und Kraushaarigkeit der Tochter
Schmähungen, die gegen Jadzias glatte Haare, ihre Rundlichkeit und ihre
Kleinwüchsigkeit gerichtet sind. Du Bankert, Rattenschnauze, Skelett! schrie
sie die Tochter an, von ihrer Andersheit erschreckt wie von einer tödlichen
Krankheit. Wie kann man so verschieden sein, dabei war sie doch aus ihr
gekommen und gehörte zu ihr! Sie hat eine Schicht aus Fettpölsterchen auf den
Schultern, die sich den Rücken hinunterzieht und auf den Seiten Falten wirft,
bei diesem Skelett ist jeder Wirbel sichtbar wie eine Perlenkette, die bei
einem Sturz vom Fahrrad in alle Richtung zerstieben können, dann würde Dominika
bis an ihr Lebensende ein Krüppel sein. Ihre eigenen Arme sind weich und
rundlich, die Tochter hat Stöckchen als Arme und Beine, wie ein von den
Zigeunern untergeschobener Wechselbalg, und bei einem Unfall können diese
Stöckchen brechen wie Streichhölzer. Eine spitze Rattenschnauze, unfreundlich,
verbissen, es ist fraglich, ob sich ein anständiger Bursche in ein solches
Gesicht vergucken wird, ganz bestimmt kein Erlend von Sinnen, o nein, so ein
Erlend, der wird sich ein liebes, lächelndes Gesicht wünschen wie das von
Jagienka Pasiak. All die Anstrengungen der Mutter sind für die Katz. Man darf
auf die eigene Mutter nicht böse sein! schimpft Jadzia in das vom Weinen
verschwollene Gesicht Dominikas. Deine Mutter will das Beste für dich, auch
wenn sie in Wut gerät. Die an die Decke gegangene Mutter wird von einer
Tsunami-Woge zurückgeschwemmt und erbarmt sich Dominikas, damit sie sich nicht
dem mütterlichen Druck entwindet. Sie beugt sich über die Tochter, die Tochter
spürt die üppige Weichheit, die über ihr hängt wie eine leicht nach Essig
riechende Lawine. Mich hat meine Mutter nie liebgehabt. Einen Vater habe ich
nie gekannt. Nur damit du weißt, was ich mitgemacht habe. Bei deiner Geburt
haben sie mich
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