BattleTech 12: Stackpole, Michael A. - Das Blut der Kerensky 3 - Dunkles Schicksal
um. »Sie haben den höheren Rang, Doktor. Erinnern Sie sich?« Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Militärische Situation, lassen wir das Militär führen. Militär und Zivilisten passen nicht zusammen.«
Während er einen Haufen verknäulter Drähte, Schalter und alter Farbkanister durchwühlte, widersprach Kai. »Sosehr Sie den Krieg auch hassen mögen, Doktor, selbst Sie werden zugeben müssen, daß die Militärtechnologie positive Auswirkungen auf den zivilen Sektor hat.«
Der Sarkasmus in ihrer Stimme senkte die Raumtemperatur um mehrere Grad. »Ach wirklich, Mr. Jewell?«
Kai wand ein ausgefranstes Verlängerungskabel um den linken Unterarm, dann warf er die Kabelrolle auf ein freies Stück Boden in der Mitte des Kellers. »Ohne jeden Zweifel. Nehmen wir nur Ihr Fachgebiet. Sie wissen genau, daß chirurgische Verfahren zur Behandlung medizinischer Tragödien im zivilen Sektor ebenfalls zur Anwendung kommen. Die rekonstruktive Chirurgie bei militärischen Verwundungen hat Techniken entwickelt, die Menschen mit angeborenen genetischen Defekten helfen können. Selbst etwas so Primitives wie Radar wurde zunächst für den militärischen Einsatz entwickelt, aber trotzdem gestattet es die zivile Flugkontrolle und Wetterbeobachtung.«
»Den letzten Punkt gestehe ich Ihnen zu, Mr. Jewell, aber nicht den ersten. Es ist nur gut, daß die Möglichkeiten, das Leiden und die Tragödie eines Krieges zu lindern, guten Zwecken dienen kann, aber mir wäre es lieber, man würde das Leiden von vornherein vermeiden.« Sie beugte sich vor und zerrte eine schwere Segeltuchplane zur Seite. »liiiieeeh! Was ist das?«
Auf ihren Entsetzensschrei sprang Kai über einen halb begrabenen Wassererhitzer und rannte zu ihr hinüber. Sie preßte sich an ihn, und er spürte, wie sie bebte. Das Ding wurde noch immer teilweise von der Plane verdeckt. Es war eine große, schneckenähnliche Gewebemasse, die am Fuß der grobbehauenen Steinmauer lag. Das freigelegte Ende wirkte hart, weiß und eckig, ließ aber keinen Schluß darauf zu, ob es sich um Kopf oder Schwanz handelte.
»Ist es tot oder lebendig?« fragte sie flüsternd.
Kai riß den Rest der Plane beiseite. »Weder noch.« Als das Ding ganz im Licht lag, sah Kai, wo lange Faserstränge von seinem Rücken geschabt worden waren. »Das ist Myomer. Sieht wie der Fingeraktivator eines Mechs aus.«
»Das ist Myomer? Ich habe noch nie ... Ich meine, das Myomer bei uns in der Chirurgie war ganz anders.«
Kai nickte. »Wundert mich nicht. Aber das ist tatsächlich einer der künstlichen Muskel, mit denen ein Mechfinger bewegt wird.« Er deutete auf die Seriennummer an der Unterseite der weißen Einführkappe. »Stammt von einer Valkyrie. Das ist Industriestärke. Die Myomere, die Sie bei der Chirurgie benutzen, werden anders hergestellt und müssen in natürliches Muskelgewebe integriert werden, um ihre Arbeit zu tun. Das chirurgische Material wird mehr wie Gummiringe benutzt.«
Deirdre verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf ihn hinab. »Und wann haben Sie Ihr medizinisches Staatsexamen abgelegt?«
»Meine ...« Kai zögerte. »Die Mutter einer Bekannten hatte Brustkrebs. Sie hatte noch von einer alten Kriegsverletzung her ein paar Myomer-Transplantate in der Schulter, und als man den Krebs entdeckte, hat man eine radikale Mastektomie ausgeführt. Ihr Pektoralis Major wurde mit Myomeren wiederaufgebaut. Die Ärzte haben es meiner Bekannten erklärt, und ich war dabei.« Am fernen Blick in ihren Augen erkannte Kai, daß Deirdre wußte, er sprach von seiner eigenen Mutter.
»Und was macht dieser Aktivator hier?«
Der MechKrieger strich mit der Hand über den Bereich, an dem lange Myomerfaserstreifen abgezogen worden waren. »Auf den ersten Blick würde ich sagen, wer auch immer früher in diesem Haus gelebt haben mag, hat sich mit ein paar Reparaturen etwas dazuverdient.« Er hob eine dünne Drahtsaite mit einer Verdickung an einem Ende auf. »Möglicherweise war es auch ein Musiker, der Myomerfasern als Ersatz für gerissene Gitarrensaiten benutzt hat.«
»Was?«
Kai reichte ihr die gerissene Saite. »Myomere ziehen sich zusammen, wenn Spannung angelegt wird. Die Kontraktion erfolgt blitzschnell, aber durch eine Variation der Spannung kann man die Stärke der Kontraktion ebenso kontrollieren wie die Zeitspanne, bis die Faser sich wieder lockert. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, aber mit einem Computerchip und Strom läßt es sich durchaus angehen.
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