BattleTech 24: Auge um Auge
nicht?«
Er holte tief Luft, nickte.
Die Tür öffnete sich. Der junge Norteno-Stabsoffizier, der seit Cabreras Suspendierung als sein Adjutant gedient hatte, stand da und blinzelte sie ängstlich an.
»Sir«, sagte er, »Adelante meldet Feindberührung.«
Cassie küßte Don Carlos schnell auf die Wange. »Ich muß gehen.« Sie schaute ihn fragend an.
»Ich werde mein Bestes tun, um zu überleben, mija«, sagte er. »Für das Regiment und für dich.«
Ein schwaches Lächeln hob die Enden seines Schnurrbarts.
Fünfzehn Männer und Frauen vom Kundschafterzug saßen oder standen in der Pumpstation, waffenstarrend und aufgequollen vor Körperpanzerung. Das kleine quadratische Bauwerk verbarg einen Zugang zum Kanalisationssystem Masamoris, den einzubauen Onkel Chandy seine Architekten angewiesen hatte. Chandrasekhar Kurita war ein weitblickender Mann.
Cassie sah sich um. Die Kundschafter reagierten unterschiedlich, manche mit zuversichtlichem Lächeln, manche mit militanten Grimassen, andere mit trüben Blicken. Alles Masken, die sie trugen, um die Furcht zu verbergen.
Auch Cassie hatte Angst. Irgendwie aber auch nicht. Der Adrenalinausstoß hatte ihre Sinne geschärft, aber tief in ihr, wo fast ihr ganzes Leben lang Sturmwolken der Furcht getobt hatten, waren nur blauer Himmel und Ruhe.
Sie hatte keine Zeit, über ihren unvertrauten Gefühlszustand nachzudenken. Jetzt war die Zeit, die Chancen abzuwägen, die nicht gerade ermutigend waren. Fünfzehn waren entweder zu viele oder zu wenige für die anstehende Aufgabe. Aber es war nicht viel Zeit zum Planen gewesen. Auf jeden Fall würden drei von ihnen – Scooter Barnes in Begleitung seines Spähers und seiner Sicherheitsfrau und mit seinem großen Zeus-Präzisionsgewehr über der Schulter – sich ganz kurz vor ihrem Ziel absetzen, um in einem Gebäude gegenüber von Ninyus Kommandoposten Stellung zu beziehen und LangstreckenFeuerschutz zu gewährleisten. Die übrigen zwölf würden mit Cassie hineingehen.
Gedämpft durch die Entfernung und die Hohlziegelmauern der Station ertönte das unverkennbare Zischen und Krachen schwerer Energiewaffen. Einen Augenblick später war in größerer Nähe das brüllende Krachen von Dianas Katapult zu vernehmen, der seine großen Arrow-IV-Lenkraketen abfeuerte.
Cassie sah Richtung Westen. Sie konnte nur die Wand sehen, aber in Gedanken blickte sie dahinter.
Ich bin nicht dazu gekommen, auf Wiedersehen zu sagen, Lady K, dachte sie, aber ich wünsche dir Glück, meine Freundin. Ich nehme dein Geschenk an.
Cassie hoffte nur, daß es kein Abschiedsgeschenk war.
Eine einzelne Träne rollte ihr über die Wange. Sie wischte sie weg.
»Gehen wir«, sagte sie.
Sonnenlichtlanzen stachen zwischen den Bronzetürmen herab wie PPK-Strahlen. Als Lainies Mauler die Höhe östlich des Verkehrskreisels erstieg, erhob sich fast zwei Kilometer entfernt die wie geschmolzenes Kupfer aussehende Scheibe der Sonne über die Mauern des Hachiman Taro-Komplexes.
Die breite Tai-sho-Dalton-Allee war merkwürdig verlassen. Die Seitenstraßen und Gassen ebenso. Die Geschäfte im Erdgeschoß waren geschlossen, die Rolläden herabgelassen, alles war dunkel. Der Graf von Hachiman hatte im Umkreis von zweitausend Metern um den Komplex alles östlich des Flusses abgeriegelt. Ob sie gewannen oder verloren, dies würde ein teurer Tag werden.
Wirtschaft war nicht Lainie Shimazus Problem. Taktik schon. Selbst wenn man ihren kleinen Ausflug, um sich zu demütigen und sich den eigenen Finger ohne Narkose zu amputieren, außer acht ließ, hatte sie nur unzureichend Zeit gehabt, um einen detaillierten oder subtilen Angriff zu planen. Falls es eine subtile Weise gab, eine riesige städtische Festung anzugreifen.
Die zehn Meter hohen Mauern des Komplexes bedeuteten bei einem Mechgefecht nicht so viel, nicht mit Sprungdüsen und schweren Waffen. Die erhöhte Position verlieh verteidigenden BattleMechs weiteren Schutz. Aber in erster Linie garantierten die Mauern, daß jeder Angriff frontal durchgeführt werden mußte: für den Angreifer die schlechteste Möglichkeit.
Sie hatte getan, was sie konnte. Das Zweite Bataillon hatte sie nach Süden gesandt, um von dort anzugreifen. Den Norden mit seinem Komplex, in dem HTE-Angestellte wohnten, ließ sie schön in Ruhe.
Ihre Beurteilung Chandrasekhar Kuritas war wesentlich realitätsnäher als die des Schirmherrn des Planeten oder Hosoyas und im Gegensatz zu Sumiyamas nicht von persönlichem Haß getrübt. Sie tat ihn nicht als fetten
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