BattleTech 47: Die Spitze des Dolches
mal sehen.« Auf der Oberseite des Pakets war ein normalgroßer Briefumschlag aufgeklebt. Calvin löste ihn ab und zog den einzelnen Bogen Papier im Innern heraus.
»Hier steht, es sei eine Geste guten Willens von Mitgliedern des Stadtrats, die aus Sorge vor ihren Nachbarn lieber anonym bleiben wollen«, stellte er nachdenklich fest. »Hmmm. Gefällt mir trotzdem nicht. Soldat, laufen Sie rüber zum Munitionsdepot und holen Sie Sergeant Kilgore. Sagen Sie ihr, wir haben hier ein verdächtiges Paket, und ich möchte...«
Kerrrach!
Eine wilde Druckwelle erfasste den EridaniOffizier und schleuderte ihn vornüber auf das schneebedeckte Pflaster. Er hörte und fühlte das dumpfe Krachen, mit dem mehrere seiner Rippen brachen und ihm die Luft aus der Lunge trieben. Er lag auf dem Steinboden, unfähig sich zu rühren, und schnappte nach Luft. Seltsamerweise fühlte er keine Schmerzen, nur ein dumpfes Stechen in der Brust und ein seltsames, sonnenbrandähnliches Gefühl an Rücken und Beinen. Er wusste, es war der Schock
durch die Verletzung, der ihn vor dem wahren Ausmaß der Schmerzen schützte.
Undeutlich drangen Schmerzensschreie durch Calvins vernebelte Sinne an sein Bewusstsein. Sie schienen von irgendwo weit entfernt zu kommen, möglicherweise von der anderen Seite des Raumhafens.
Er nahm all seine Willenskraft zusammen, zog die Arme unter den Körper und stemmte sich auf die Knie. Schmerzen schnitten wie ein Sägeblatt durch seinen Rücken, als er sich aufhebelte. Er wankte und schaffte es nur durch eine enorme Willensanstrengung, sich aufrecht zu halten. Calvin wartete, bis sich der rote Nebel vor seinen Augen verzog. Dann griff er vorsichtig, bemüht, sich nicht mehr zu bewegen als nötig, über die Schulter. Seine tastenden Finger fanden eine breite, unregelmäßige Schnittwunde tief im Rückenmuskel. Wieder drehte es sich vor seinen Augen, als sein Körper unter der Berührung zurückzuckte.
Calvin erhob sich schwankend auf die Füße und drehte sich zum Postenhaus um. Der Corporal der Wache war nirgends zu sehen. Seine Stiefel standen noch genau da, wo Calvin den Mann zuletzt gesehen hatte, aber ihr Besitzer war verschwunden. Zwei andere Soldaten lagen in den grotesk verrenkten Stellungen auf dem rotgefleckten Asphalt, die nur Tote einnehmen können. Einer lag gnädigerweise auf dem Gesicht und seine Verletzungen waren nicht zu sehen. Der andere lag auf dem Rücken, das aus leeren Augen in den Himmel starrende, zerfetzte Gesicht und die in graugrünem Tarnschema gehaltene Uniformjacke rotbraun vor Blut.
Calvin wandte sich von dem entsetzlichen Anblick ab und entdeckte das vierte Mitglied der Wachabteilung, den jungen Soldaten, den er losgeschickt hatte, Munitionssergeant Kilgore zu holen. Er wand sich auf dem Asphalt, schrie sich die Lunge aus dem Leib und versuchte verzweifelt, das Blut aufzuhalten, das aus dem Stumpf seines knapp unterhalb des Ellbogens abgerissenen Arms spritzte.
»Soldat!«, schrie Calvin. Seine geborstenen Rippen bohrten sich ihm wie Messer in die Brust.
Ohne sich um seine eigenen Verletzungen zu kümmern, riss Calvin sich die Fetzen der Uniformjacke vom Körper und sank neben dem Verletzten auf die Knie. So gut er konnte, band er die Ärmel der Jacke knapp über dem Bizepsansatz um den Armstummel des Soldaten. Mit dem letzten Rest seiner rapide nachlassenden Kraft verdrehte er das schwere Uniformtuch in den Händen und versuchte verzweifelt, mit dem improvisierten Druckverband die zerfetzte Schlagader abzubinden.
»Ich habe ihn, Sir«, erklärte ein dunkelhäutiger Mann und ging neben dem schwankenden Colonel in die Knie.
Calvins Hand reagierte nicht auf den Befehl seines Gehirns, den Druckverband an den Neuankömmling weiterzugeben.
»Ich sagte, ich habe ihn, Colonel«, wiederholte der MedTech schärfer. »Lassen Sie endlich los, um Himmels Willen.«
Jetzt waren auch andere Hände zur Stelle. Ein Teil von ihnen zwang ihn, die verdrehten Ärmel der Uniformjacke loszulassen, andere verbanden seine Wunden. Dann schloss sich die Dunkelheit um seinen Geist und Colonel Paul Calvin wurde ohnmächtig.
* * *
Ein Wachmann mit dem flammenden Rossemblem des 19. Kavallerieregiments marschierte auf den um das Raumhafengelände verlaufenden Drahtzaun zu. Seine Laser und Maschinengewehre schienen die verängstigte, von morbider Neugierde erfasste Menge auf der anderen Seite des Maschendrahts zu bedrohen. Um die Füße des vierzig Tonnen schweren Metallriesen wuselte ein Zug Kröten, die Waffen
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