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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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bewachten. »Ich brauche hier keine Schutztruppe«, sagte er mit stolzem Lächeln. »Ich bin unangreifbar. Und außerdem ist dies, wie du sehen wirst, gnädiger Herr, kein Ort des Krieges, sondern das Refugium, in dem ich meinen Studien über die vier Elemente obliege. Komm, ich zeige dir, wo du auf würdige Art die Nacht verbringen kannst.«
    Sie stiegen eine Freitreppe hinauf, und nach der zweiten Biegung traten sie in einen Waffensaal, der mit einigen Bänken und mehreren Rüstungen an den Wänden möbliert war. Am Ende des Saales öffnete Ardzrouni eine schwere metallbeschlagene Tür und führte den Kaiser in einen luxuriös eingerichteten Raum. Er enthielt ein Himmelbett, eine Truhe mit goldenen Kelchen und Kandelabern, überragt von einem Schrein oder Tabernakel aus dunklem Holz, sowie einen breiten Kamin, fertig bestückt mit runden Holzscheiten und Brocken einer kohleähnlichen Substanzmit einem öligen Überzug, die vermutlich zum Entfachen der Flammen dienen sollten, das Ganze säuberlich aufgeschichtet auf einem Bett aus Reisig und bedeckt mit Zweigen voll wohlriechender Beeren.
    »Dies ist der beste Raum, den ich habe«, sagte Ardzrouni, »und es ist mir eine Ehre, ihn dir anzubieten. Ich rate dir, dieses Fenster nicht zu öffnen. Es geht nach Osten, morgen früh könnte dich die Sonne stören. Diese farbigen Glasfenster, ein Wunderwerk der venezianischen Kunst, lassen ihr Licht sanft gefiltert herein.«
    »Kann niemand durch dieses Fenster hereinkommen?« fragte der Poet.
    Ardzrouni öffnete mühsam das Fenster, das mit mehreren Bolzen fest verschlossen war. »Sieh her«, sagte er, »es liegt sehr hoch oben. Und drüben auf der anderen Seite des Hofes ist die Außenmauer, auf der bereits die Männer des Kaisers Wache stehen.« Man sah in der Tat die Zinnen der äußeren Mauer mit dem Wehrgang, auf dem in Abständen Wachen postiert waren, und genau gegenüber dem Fenster, nur einen Pfeilschuss entfernt, zwei große Scheiben oder Schüsseln aus schimmerndem Metall, tief nach innen gewölbt, die auf einem Gerüst zwischen den Zinnen verankert waren. Friedrich wollte wissen, was das sei.
    »Das sind Archimedes-Spiegel«, erklärte Ardzrouni, »solche wie die, mit welchen dieser antike Gelehrte die römischen Schiffe zerstört hat, die Syrakus belagerten. Jeder Spiegel fängt die parallel einfallenden Lichtstrahlen ein und schickt sie zurück, deshalb reflektiert er die Dinge. Wenn aber der Spiegel nicht flach, sondern in der richtigen Weise gewölbt ist, wie es die Geometrie als höchste der Wissenschaften lehrt, dann werden die Strahlen nicht parallel reflektiert, sondern alle auf einen bestimmten Punkt vor dem Spiegel konzentriert, je nachdem, wie dieser gewölbt ist. Wenn du nun den Spiegel so ausrichtest, dass er die Strahlen der Sonne im Moment ihrer größten Helligkeit einfängt und sie gebündelt auf einen einzigen fernen Punkt zurückwirft, dann erzeugt eine solche Konzentration von Sonnenstrahlen an jenem Punkt einen Brand, und so kannst du einen Baum, die Planken eines Schiffes, eineKriegsmaschine oder auch das Gestrüpp rings um deine Feinde in Brand stecken. Ich habe zwei verschieden gewölbte Spiegel, deren einer mehr in die Ferne zielt und der andere mehr in die Nähe. Mit diesen beiden einfachen Geräten kann ich meine Burg besser verteidigen, als wenn ich tausend Bogenschützen hätte.«
    Friedrich sagte im Scherz, Ardzrouni solle ihm dieses Geheimnis beibringen, dann würden die Mauern Jerusalems besser einstürzen als einst die Mauern Jerichos, und nicht durch Trompetenschall, sondern durch Sonnenstrahlen. Ardzrouni erwiderte, er stehe dem Kaiser stets zu Diensten. Dann schloss er das Fenster wieder und erklärte: »Hier kommt keine Luft herein, aber durch andere Schlitze schon. Es kann sein, dass es dir heute Nacht trotz der Jahreszeit kühl wird, denn die Mauern sind dick. Aber statt den Kamin anzuzünden, der lästigen Rauch macht, rate ich dir, dich lieber mit diesen Fellen zu bedecken, die du auf dem Bett siehst. Und entschuldige, dass ich von solchen Dingen rede, aber der Herr hat uns mit einem Körper geschaffen: Hinter dieser kleinen Tür findest du eine schmale Kammer mit einem nicht sehr königlichen Sitz, aber alles, was dein Körper ausscheiden will, fällt von da in eine Grube im Untergeschoss, ohne hier die Luft zu verpesten. Man betritt diesen Raum nur durch die Tür, die wir durchschritten haben, und wenn du sie von innen verriegelt hast, werden draußen deine Höflinge

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