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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht versucht, mich im Schlaf zu erdolchen! Was sollen wir tun?«
    Der junge Friedrich riet, die Einladung anzunehmen. Es sei leichter, sich vor einem einzigen möglichen und bekannten Feind zu hüten, als vor vielen unbekannten. »Er hat recht, mein Vater«, sagte Baudolino. »Du bleibst in dieser Burg, und wir, meine Freunde und ich, bilden einen Schutzwall um dich, so dass niemand zu dir kann außer über unsere Leichen, bei Tag und bei Nacht. Wir werden alles vorkosten, was für dich bestimmt ist. Sei unbesorgt, ich bin kein Märtyrer. Alle werden wissen, dass wir vor dir trinken und essen werden, und niemand wird es für klug halten, einen von uns zu vergiften, weil dann dein Zorn über alle Bewohner dieser Festung käme. Deine Leute brauchen Erholung, Kilikien ist ein christliches Land, der Sultan von Ikonion ist zu geschwächt, um durchs Gebirge zu ziehen und dich erneut anzugreifen, Saladin ist noch zu weit entfernt, diese Gegend ist voller Felsen und Schluchten, die lauter erstklassige natürliche Schranken sind, mir scheint sie das geeignete Land, uns alle wieder zu Kräften kommen zu lassen.«
    Nach einem Tagesmarsch in Richtung Seleukia gelangten sie in eine Schlucht, die so schmal war, dass sie kaum Platz genug hatten, neben dem Fluss zu reiten. Mit einem Mal aber öffnete sich die Schlucht und entließ den Fluss in ein breites Tal, durch das er ein wenig ruhiger fließen konnte, um danach seinen Lauf wieder zu beschleunigen und sich in eine weitere Schlucht zu stürzen. Nicht weit vom Ufer erhob sich, wie ein Pilz aus der Ebene aufragend, ein gewaltiger Turm mit unregelmäßigen Konturen, der sich bläulich vor den Augen der von Osten Kommenden abzeichnete, während die Sonne hinter ihm unterging, so dass man auf den ersten Blick nicht hätte sagen können, ob er ein Werk der Natur oder eines von Menschenhand war. Erst beim Näherkommen erkannte man, dass er ein steiler Felsen war, auf dessen Gipfel sich eine Burg erhob, von der aus man offensichtlich das Tal und den Kranz der Berge ringsum beherrschen konnte.
    »Hier, gnädiger Herr«, sagte Ardzrouni, »hier kann dein Heer sein Lager aufschlagen. Ich rate dir, weiter unten am Fluss haltmachen zu lassen, da gibt es Platz für die Zelte und genügend Wasser für Mensch und Tier. Meine Burg ist nicht groß, ich rate dir, nur mit wenigen Männern deines Vertrauens hinaufzusteigen.«
    Friedrich wies seinen Sohn an, sich um das Lager zu kümmern und beim Heer zu bleiben. Er wählte zehn seiner Leute als Begleitung aus, dazu die Gruppe von Baudolino und seinen Freunden. Der Sohn versuchte zu protestieren, er wolle bei seinem Vater bleiben, nicht über eine Meile von ihm entfernt. Ein weiteres Mal schaute er misstrauisch zu Baudolino und seinen Freunden, aber der Kaiser blieb unerschütterlich. »Ich werde in dieser Burg schlafen«, sagte er. »Morgen früh werde ich im Fluss schwimmen, und dazu brauche ich euch nicht. Ich werde zu euch geschwommen kommen und euch einen guten Morgen wünschen.« Der Sohn sagte, des Vaters Wille sei ihm Befehl, aber er sagte es schweren Herzens.
    So trennte sich Friedrich vom Gros des Heeres, begleitet von seinen zehn Leibwächtern sowie von Baudolino, dem Poeten, Kyot, Boron, Abdul, Solomon und dem Boidi, derZosimos an der Kette hinter sich herzog. Alle fragten sich neugierig, wie man den steilen Felsen erklimmen mochte, aber als sie ihn halb umrundet hatten, entdeckten sie, dass er auf der Westseite etwas weniger steil war, gerade genug, um Platz für einen gepflasterten Weg zu lassen, der über Stufen hinaufführte und höchstens zwei Pferden nebeneinander Platz bot. Jeder, der in feindlicher Absicht hinaufsteigen wollte, musste die Stufen so langsam nehmen, dass zwei Bogenschützen auf den Zinnen der Burg genügten, um die Invasoren je zwei und zwei niederzustrecken.
    Am Ende des Weges öffnete sich ein Tor, das in einen Hof führte. Außen vor diesem Tor ging der Weg dicht unter der Mauer und noch schmaler am Abgrund weiter bis zu einem zweiten, kleineren Tor auf der Nordseite, danach endete er im Nichts.
    Sie ritten in den Hof, der in die eigentliche Burg führte, deren Mauern voller Schießscharten waren, jedoch ihrerseits geschützt durch die Mauern, die den Hof vom Abgrund trennten. Friedrich verteilte seine Wachen an die Zinnen der Außenmauer, damit sie den Weg von oben kontrollierten. Ardzrouni schien keine eigenen Männer zu haben, abgesehen von ein paar Knechten, die die verschiedenen Türen und Korridore

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