Baudolino
was Zosimos vor dir getan hat. Das weiß ich nicht. Aber ich hätte schon lange merken müssen, daß du inzwischen deine eigenen Träume verfolgtest, nur hatte die Freundschaft mir den Blick getrübt.«
»Sprich weiter«, sagte der Poet grinsend.
»Das tue ich. Als Solomon in Kalliupolis das Gegengift
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kaufte, hatte der Händler, ich erinnere mich noch gut daran, uns auch eine genau gleich aussehende Phiole mit einem sehr wirksamen Gift angeboten. Nach dem Besuch in jenem Zelt hatten wir dich im Gedränge für eine Weile aus den Augen verloren. Dann bist du wieder aufgetaucht, aber du hattest kein Geld mehr und hast behauptet, du seist bestohlen worden. In Wahrheit bist du, während wir über den Markt bummelten, rasch noch einmal dorthin zurückgekehrt und hast das Gift gekauft. Es wird dir nicht schwer gefallen sein, Solomons Phiole durch deine zu ersetzen, während der langen Reise durch das Land des Sultans von Ikonion gab es Gelegenheiten genug. Am Abend vor Friedrichs Tod warst du es dann, der ihm mit lauter Stimme riet, sich ein Gegengift zu besorgen. So hast du den guten Solomon auf die Idee gebracht, ihm seines anzubieten also dein Gift. Für einen Augenblick mußt du sehr erschrocken gewesen sein, als Kyot sich anbot, davon zu kosten, aber dann ist dir wohl eingefallen, daß diese Substanz, in kleinen Dosen
eingenommen, nichts schadete, und nur zum Tod führte, wenn man alles auf einmal trank. Daß Kyot in jener Nacht ein so starkes Bedürfnis nach frischer Luft gehabt hatte, könnte daran gelegen haben, daß auch jener winzige Schluck ihm zugesetzt hatte, aber da bin ich mir nicht sicher.«
»Und wo bist du dir sicher?« fragte der Poet immer noch grinsend.
»Ich bin mir sicher, daß du, bevor du Boron und Kyot an Ardzrounis Maschinen herumspielen sahst, deinen Plan schon fertig im Kopf hattest. Du bist in den Saal mit der Schnecke gegangen, in der man sprechen mußte, um oben in Friedrichs Zimmer gehört zu werden. Daß dieses Spiel dir gefällt, hast du ja auch heute abend wieder bewiesen, und als ich dich dort hinter der Ikonostase sprechen hörte, fing ich an zu begreifen.
Du bist an das Dionysios-Ohr getreten und hast Friedrich gerufen. Ich nehme an, du hast dich dabei für mich ausgegeben,
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im Vertrauen darauf, daß die Stimme im oberen Stockwerk entstellt ankam. Du hast Friedrich gesagt, wir hätten entdeckt, daß jemand Gift in sein Essen gemischt habe, womöglich hast du sogar hinzugefügt, daß einer von uns schon gräßliche Schmerzen litte und daß Ardzrouni seine Häscher losgeschickt habe. Du hast ihm gesagt, er solle den Schrein öffnen und sofort das Gegengift trinken. Mein armer Vater hat dir geglaubt, hat getrunken und ist tot umgefallen.«
»Schöne Geschichte«, sagte der Poet. »Und der Kamin?«
»Vielleicht ist er wirklich durch die Sonnenstrahlen aus dem Spiegel angezündet worden, aber erst, als Friedrich schon tot war. Der Kamin hat nichts damit zu tun, er war kein Teil deines Plans, jeder hätte ihn anzünden können, er hat dir nur geholfen, uns zu verwirren. Du hast Friedrich getötet, und erst heute bin ich dank deiner Mithilfe darauf gekommen. Sei verflucht! Wie konntest du dieses Verbrechen begehen, diesen Vatermord an deinem Wohltäter, nur aus Ruhmsucht? Hast du dir nicht
klargemacht, daß du ein weiteres Mal dabei warst, dir den Ruhm anderer Leute anzueignen, so wie du es bei meinen Gedichten getan hast?«
»Das ist gut!« rief lachend der Boidi, der sich inzwischen von seinem Schrecken erholt hatte. »Der große Poet hat sich seine Gedichte von anderen schreiben lassen!«
Diese Demütigung, nach den vielen Enttäuschungen jenes
Tages, im Verein mit dem verzweifelten Willen, den Gradal zu besitzen, trieb den Poeten zum Äußersten. Er zog sein Schwert, schrie: »Ich bringe dich um, ich bringe dich um!« und stürzte sich auf Baudolino.
»Ich habe dir immer gesagt, daß ich ein Mann des Friedens sei, Kyrios Niketas. Ich war zu schonungsvoll mit nur selbst. In Wirklichkeit bin ich ein Feigling, Friedrich hatte recht gehabt, damals. In diesem Augenblick haßte ich den Poeten aus tiefster
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Seele, ich wollte seinen Tod, und doch wollte ich ihn nicht töten, ich wollte nur verhindern, daß er mich tötete. Ich sprang rückwärts zwischen die Säulen, dann stürzte ich mich in den Gang, aus dem ich gekommen war. Ich floh ins Dunkel und hörte, wie er mir wutschnaubend folgte. Der Gang hatte kein Licht, wenn man sich tastend voranbewegte,
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