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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zufällig war, denn du hast es mit großer Sorgfalt getan. Du hast den Spiegel so ausgerichtet, daß er bei Sonnenaufgang die ersten Strahlen genau auf das Fenster von Friedrichs Schlafzimmer konzentrierte. So ist es dann geschehen, und die gebündelten Sonnenstrahlen haben das Holz im Kamin entzündet. Inzwischen war die von Boron erzeugte Leere bereits wieder von neuer Luft verdrängt worden, und die Flammen konnten auflodern. Du wußtest, was Friedrich tun würde, wenn er halb erstickt vom Rauch aus dem Kamin
    erwachte. Er würde glauben, er sei vergiftet worden, und würde aus dem Gradal trinken. Ich weiß, du hattest selber daraus getrunken an jenem Abend, aber wir haben dich nicht genügend im Auge behalten, als du den Gradal in den Schrein
    zurückstelltest. Irgendwie hattest du dir auf dem Markt von Kalliupolis Gift besorgt, und davon hast du ein paar Tropfen in den Gradal fallen lassen. Der Plan war perfekt. Nur wußtest du nicht, was Boron gemacht hatte. Friedrich hat dein Gift getrunken, aber nicht, als das Kaminfeuer brannte, sondern lange vorher, als Boron ihm die Luft nahm.«
    »Du bist verrückt, Poet«, rief Kyot, bleich wie ein Toter, »ich weiß nichts vom Gradal, sieh her, jetzt öffne ich meinen Täuferkopf... Da, siehst du, da ist ein Schädel!«
    »Nun gut, auch du hast den Gradal nicht«, sagte die Stimme des Poeten, »aber du leugnest nicht, die Spiegel bewegt zu haben.«
    »Mir war nicht gut, du hast es gesagt, ich wollte die frische Nachtluft atmen. Ich habe mit den Spiegeln herumgespielt, jawohl, aber der Blitz soll mich treffen, jetzt gleich, wenn ich
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    gewußt hatte, daß sie das Kaminfeuer in jenem Zimmer
    entzünden würden! Glaub nicht, ich hätte in all diesen Jahren nicht immer wieder an meine Unbesonnenheit gedacht und mich gefragt, ob es nicht meine Schuld war, daß sich das Feuer entzündet hatte, und ob das nicht etwas mit dem Tod des Kaisers zu tun haben könnte. Jahre voll quälender Zweifel. In gewisser Weise hast du mich jetzt erleichtert, sagst du nur doch, daß Friedrich zu der Zeit auf jeden Fall schon tot war! Aber was das Gift angeht - wie kannst du so etwas Infames behaupten? Ich habe an jenem Abend guten Glaubens getrunken, ich fühlte mich wie ein Opferlamm...«
    »Ja natürlich, ihr seid allesamt Unschuldslämmer!
    Unschuldslämmer, die fast fünfzehn Jahre lang mit dem
    Verdacht gelebt haben, sie könnten schuld an Friedrichs Tod sein, gilt das nicht auch für dich, Boron? Aber nun zu unserem Boidi. Du bist jetzt der einzige, der den Gradal haben kann. Du warst in jener Nacht nicht hinausgegangen. Du hast am Morgen wie alle anderen Friedrich tot in seinem Zimmer gefunden. Das hattest du nicht erwartet, aber du hast die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Vorbereitet hattest du sie schon lange. Im übrigen warst du der einzige, der Gründe hatte, Friedrich zu hassen, war er doch schuld am Tod so vieler deiner Mitbürger vor den Mauern von Alexandria. In Kalliupolis hast du uns gesagt, du hättest einen Ring mit einem Herzmittel in der Kapsel gekauft. Aber niemand war dabei, als du ihn gekauft hast. Wer sagt uns, daß es wirklich ein Herzmittel war? Du hattest schon lange mit deinem Gift auf der Lauer gelegen und hast begriffen, daß dies der richtige Augenblick war. Vielleicht hatte Friedrich, dachtest du, nur das Bewußtsein verloren. Also hast du ihm das Gift in den Mund geträufelt, wobei du so tatest, als ob du ihn wiederbeleben wolltest, und erst danach, wohlgemerkt, erst danach hat Solomon seinen Tod festgestellt.«
    »Poet«, rief der Boidi und fiel auf die Knie, »wenn du wüßtest,
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    wie oft ich mich in all den Jahren gefragt habe, ob dieses Herzmittel nicht womöglich ein Gift war! Aber jetzt sagst du mir, daß Friedrich schon vorher tot war, umgebracht von einem dieser beiden hier oder von allen beiden, Gott sei Dank!«
    »Das ändert nichts«, sagte die Stimme des Poeten, »es geht allein um die Absicht. Doch über deine Absichten wirst du Gott Rechenschaft ablegen müssen. Ich will nur den Gradal. Öffne den Schrein.«
    Mit zitternden Fingern versuchte der Boidi, sein Reliquiar zu öffnen, dreimal hielt der Siegellack stand. Boron und Kyot waren ein Stück zurückgewichen, als ob er, wie er sich da über jenen schicksalhaften Behälter beugte, bereits der überführte Schuldige wäre. Beim vierten Versuch ging der Schrein auf, und ein weiteres Mal kam ein Schädel zum Vorschein.
    »Bei allen gottverfluchten Heiligen!« brüllte der Poet und

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