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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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tu ich es«, sagt der Justizrat ungerührt. »Wie denkt ihr euch das eigentlich? Ich will auch einmal mein Honorar haben. Laßt das doch die Altholmschen zahlen. Das ist zehnmal besser, als wenn ihr bei den Bauern sammeln müßt.«
    »Na ja, von der Seite gesehen«, erklärt Stuff.
    »Und jetzt werde ich sofort das Gericht anrufen und bitten, daß das Urteil heute nicht mehr verkündet wird. Habe eine Konferenz. Die sind schließlich auch froh, wenn sie Feierabend machen können. Es würde doch mit der Urteilsverkündung Mitternacht werden.«

    3

    Es ist vormittags elf Uhr. In die Turnhalle fällt das fahle, trübe Licht eines regnerischen Oktobertages.
    Trotzdem es jetzt endlich zur Urteilsverkündung kommen wird, ist der Saal zum ersten Male fast leer. In der Stadt weiß man noch nicht, daß es soweit ist, die Altholmer Blätter kommen ja erst am Nachmittag heraus.
    Stuff sitzt trübe an seinem Pressetisch. Sein Schädel ist wolkig von Alkohol.
    Es wurde gestern noch eine solenne Sauferei, und dies Schwein, der Manzow, hat endlose Pullen Sekt geschmissen, diese Weiberlimonade, die man saufen kann wie Wasser und die über Kreuz mit Schnaps und Bier genossen einen wütenden Kopfschmerz macht.
    »Ich fühle jedes einzelne Haar«, stöhnt er zu Blöcker.
    »Gespannt bin ich doch, was kommt«, sagt der. »Henning ist mächtig blaß. Hat wohl Angst.«
    »Angst?« fragt Stuff verächtlich. »Gekotzt hat er seit drei Uhr morgens, der war voll, sage ich dir.«
    Der Gerichtshof erscheint.
    |635| Dieses Mal setzen sich die Angeklagten nicht, stehend erwarten sie ihr Urteil.
    Der Vorsitzende bedeckt sein Haupt mit dem Barett und verkündet: »Im Namen des Volkes. Es wird für Recht erkannt: Es werden verurteilt:
    Der Angeklagte Georg Henning wegen Widerstandes in zwei Fällen zu drei Wochen Gefängnis.
    Der Angeklagte Heino Padberg wegen einmaligen Widerstandes zu zwei Wochen Gefängnis.
    Der Angeklagte Herbert Rohwer wegen Widerstandes und Körperverletzung zu zwei Wochen Gefängnis.
    Der Angeklagte Josef Czibulla wird freigesprochen.
    Die Kosten fallen, soweit Verurteilung erfolgte, den Angeklagten, im übrigen der Staatskasse zur Last.«
    Der Vorsitzende holt Atem, durch den Saal geht ein leises Rauschen. Viele sehen einander an. Die Angeklagten, die Verurteilten, stehen unbewegt und sehen auf den Vorsitzenden.
    Der beginnt mit der Urteilsbegründung. In dem väterlichfreundlichen Ton, den er durch die ganze Verhandlung beibehalten hat, sagt er:
    »Es ist erfahrungsgemäß schwer, solche Vorgänge wie die am sechsundzwanzigsten Juli zu rekonstruieren …
    Die wesentliche Frage ist die, befand sich die Polizeiverwaltung Altholm bei der Beschlagnahme und Wegnahme der Fahne in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes?
    Das Gericht ist der Überzeugung, daß ihr Vorgehen
objektiv
nicht berechtigt war. Die Sense war keine Sense, auch keine Waffe, sondern ein Symbol. Die Demonstrationsteilnehmer hatten ein Recht, diese Fahne zu tragen, ein Recht, sie wegzunehmen, hatte die Polizei nicht.
    Andererseits ist das Gericht der Überzeugung, daß Frerksen sich
subjektiv
in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes glaubte, als er die Fahne beschlagnahmte. Er hat die Fahne für provozierend gehalten, er hat geglaubt, etwaige Zusammenstöße nicht verhindern zu können. Er ist durch die Fahne überrascht worden.
    |636| Aktiven Widerstand haben Henning und Padberg beim Tucher durch Festhalten der Fahne geleistet.
    Die Frage, ob eine Zusammenrottung vorlag, muß verneint werden. Im Gegenteil haben sowohl Padberg wie Henning für Beruhigung des Zuges und Weitermarsch gesorgt.
    Rohwer hat einen gewissen Widerstand geleistet, und zwar über die Grenze der reinen Abwehr hinaus.
    Wohl ist erwiesen, daß eine Anzahl von Landleuten beim Heldenmal sich am Kampf beteiligt haben, aber das wäre nur entscheidend, wenn die Bauern die Angreifer gewesen wären. Dagegen spricht das Verhalten der Polizei. Es besteht zum mindesten der Verdacht, daß Frerksen der Situation nicht gewachsen war, daß er den Kopf verloren hat und unplanmäßig handelte. Er hat den ungünstigsten Platz zum Aufhalten des Zuges gewählt. Er ist auch mit seinen Beamten vorgegangen, ohne ihnen irgendwelche genauen Instruktionen zu geben. Die Erregung der Beamten ist zu verstehen. Ohne Führung sind sie an den Zug gekommen. Sie haben gleich dreingehauen.
    Erwiesen ist, daß Henning, als er auf der Erde lag, mit den Füßen stieß. Aber da befand sich die Polizei nicht mehr in rechtmäßiger

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