Bauernsalat
Ommma. »Ich lade sie immer nur ein, um ihr einen Gefallen zu tun. Damit sie auch mal etwas Abwechslung hat, in ihrem Alter.«
Ich versuchte mich zu erinnern. Alexa hatte mir erzählt, Tante Mia sei 84, also knappe zwei Jahre älter als Ommma.
»Mia hat eben nicht so viele Bekannte wie ich, was auch kein Wunder ist bei ihrer eingebildeten Art. Sie bekommt nie Besuch und wird auch nirgendwohin eingeladen.«
»Ah ja!« Ich lächelte verständig.
»Wenn es nach mir ginge, bliebe jeder, wo er ist. Aber man muß ja Mitleid haben mit ihr. Sie hat ja sonst keinen.«
Soviel ich wußte, lebte auch Tante Mia mit der Familie ihrer Tochter unter einem Dach.
»Früher mußte ich jeden Samstag zu ihr hin«, erklärte Ommma jetzt aufgebracht. »Das war noch viel schlimmer für mich. Aber damit sie überhaupt noch einen Schritt vor die Tür macht, kommt sie jetzt jeden Samstag zu mir.« Ommma hielt sich die Hand vor die Stirn, um zu signalisieren, wie sehr sie die samstägliche karitative Aufgabe belastete.
»Es muß ja auch bitter für sie gewesen sein, daß unsere Eltern mich lieber mochten als sie«, zeigte Ommma plötzlich ein vorher undenkbares Verständnis für Mias Situation. »Ich spreche da natürlich nicht drüber, aber Mia war ein schrecklich ungeschicktes Kind, gar nicht praktisch veranlagt, im Haushalt überhaupt nicht zu gebrauchen. Da ist es ja kein Wunder, daß unsere Eltern mich immer bevorzugten.«
Ommma warf einen Blick auf die Wanduhr. »Es wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben«, seufzte sie, »als Mia jetzt abzuholen. Es ist schon drei Uhr.«
In Wirklichkeit war es erst halb drei, aber ich wollte Ommma nicht auf ihre Sehschwäche aufmerksam machen.
»Sie haben sich den Weg ja beschreiben lassen«, meinte die indes, »einfach die Straße rauf, am alten Sägewerk abbiegen, und dann ist es das Haus, wo das Unkraut im Vorgarten fast bis zu den Knien hochsteht.«
Der Vorgarten war topp in Ordnung. Davon konnte ich mich überzeugen, als ich mich fünf Minuten später bei Tante Mia vor der Haustür wiederfand. Tante Mia öffnete lächelnd, ohne daß ich klingeln mußte.
»Na, dann wollen wir es mal wieder hinter uns bringen!«, seufzte sie, als sie auf mein Auto zumarschierte. »Glauben Sie bloß nicht, daß mir diese wöchentlichen Besuche Spaß machen. Aber was tut man nicht alles für seine Schwester? Sie hat ja außer mir keine Bekannten. Kein Wunder, so besserwisserisch, wie sie ist.«
Mir blieb der Mund offenstehen.
»Sicher hat sie schon über mich gehetzt, nicht wahr?«
Gott sei Dank brauchte ich nicht zu antworten. Tante Mia sprach sofort weiter. »Das liegt daran, daß unsere Eltern mich immer bevorzugt haben. Ich war eben ein so niedliches Kind. Ist doch klar, daß man mich da lieber hatte.« Mia warf einen Seitenblick auf mich. »Leider hat Magda das bis heute nicht verkraftet«
»Verstehe!« Ich öffnete die Beifahrertür und suchte krampfhaft nach einem anderen Gesprächsthema. Vorerst hieß es jedoch, Tante Mia in mein kleines Auto zu bugsieren. Immerhin tat sie sich mit dem Laufen schwer, und es fiel mir nicht leicht, ihre steifen Beine vorsichtig im Auto zu verstauen.
»Jeden Samstag diese Tortur!«, stöhnte sie. »Aber von meiner Schwester Magda kann man natürlich nicht erwarten, daß sie noch zu solchen Unternehmungen in der Lage ist. Seit ihrer Hüftoperation kriegt sie ja gar nichts mehr auf die Reihe. Ich bin zwar die ältere von uns beiden, aber ich war schon immer die robustere. Wenn Sie mich fragen: Ich glaube, sie macht es nicht mehr lange!« Mit Schwung zog Tante Mia die Autotür zu.
Das Aussteigen vor Schnittlers Haus erwies sich als noch schwieriger. Ich mußte Tante Mia erst in eine leichte Seitenlage bringen, bevor ich ihre Beine aus dem Auto herausbekam.
Ommma hatte hinter dem Fenster gestanden. »Du warst aber auch mal wendiger«, sagte sie zur Begrüßung ihrer Schwester. »Seit der Thrombose vor sechs Monaten ist nicht mehr viel los mit ihr!« zischte sie mir zu.
»Dafür höre ich aber noch recht gut!« rächte Tante Mia sich sofort. »Aber mit deinen Augen scheint ja auch was nicht in Ordnung zu sein. Sonst hättest du heute Morgen vorm Spiegel gemerkt, in welchem Zustand sich deine Haare befinden. Oder ist da nichts mehr zu machen?«
Ommma marschierte wutentbrannt vor Tante Mia ins Wohnzimmer. Letztere wandte sich einmal mehr an mich. »Mit ihrem Aussehen hat sie es eben nicht Ihren Mann hat sie nur mitgekriegt, weil ich bereits vergeben war.
Weitere Kostenlose Bücher