Bauernsalat
Gebrüll, dann den Aufprall. Nach ein paar Schrecksekunden lief sie um die Scheune herum und fand hier den Toten. Nach ihren Angaben war kein anderer Mensch zu sehen.«
»Wenn der Täter der Zeugin nicht entgegengekommen ist, kann er immer noch in mehrere Richtungen geflüchtet sein«, resümierte ich mit Blick auf das angrenzende Feld und den Feldweg, der den Hof vom Feld abgrenzte. Auf diesem Weg konnte man innerhalb kurzer Zeit hinter der nächsten Biegung verschwunden sein.
»Kann er«, meinte Christoph Steinschulte lapidar. »Vielleicht ist er aber auch einfach nur um die Scheune herumgegangen, und zwar nicht auf der Vorderseite, die auch Frau Wiegand genommen hat, sondern an der Rückseite entlang. Dann kann er plötzlich wie selbstverständlich auf dem Innenhof gestanden haben. Ein Mitglied der Familie zum Beispiel.« Steinschultes Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß dies für ihn die wahrscheinlichste Möglichkeit war.
»An wen denkt ihr?« Steinschulte wandte sich zum Gehen. Ich schloß mich einfach an.
»Elmar Schulte-Vielhaber, der Hofnachfolger und Neffe des Toten, hatte vorher eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Onkel. Das streitet er gar nicht ab.«
Ich schlenderte mit Steinschulte zum Wohnhaus hinüber.
»Elmar wird also tatsächlich verdächtigt?«
»Das kann man so sagen!«
»Und was habt ihr jetzt vor?«
»Wir werden mit allen Beteiligten nochmal sprechen. Vielleicht ergeben sich dadurch neue Gesichtspunkte. Vielleicht macht auch jemand eine Aussage.« Christoph hob verheißungsvoll die Augenbrauen. Ein schnelles Geständnis hielt er wohl nicht für ausgeschlossen. Inzwischen waren wir an der Haustür angekommen.
»Hast du was dagegen, wenn ich für einen Moment mit reinkomme?«
Christoph zögerte einen Augenblick, während er die Klinke in der Hand hielt. Dann hatte er sich entschieden. »Wenn du nicht störst, hab ich nichts dagegen.«
Als wir in die Diele traten, hörte man eine Wanduhr ticken. Obwohl Personen im Haus sein mußten, war eine unheimliche Stille zu spüren, die das Geräusch um so mehr hervorhob. Plötzlich öffnete sich eine Tür und ein Polizist in Uniform kam auf uns zu.
»Ich bin mit den Schulte-Vielhabers hier drinnen«, erklärte er im halblauten Tonfall. »Schneider ist mit Frau Wiegand drüben im Wohnzimmer.«
»Gut, ich spreche nochmal kurz mit der Zeugin«, sagte Christoph. »Dann kann sie endlich nach Hause gehen. Anschließend komme ich zu euch.«
Ohne ein weiteres Wort öffnete Christoph eine Tür und ließ mich stehen. Kurzerhand schloß ich mich dem Polizisten an, der wieder in die Küche ging. Als ich reinkam, hoben sich zwei Köpfe. Auf einem Stuhl saß eine Frau mit kurzen, grauen Haaren. Sie hatte eine jugendliche Figur und einen jungen Haarschnitt, doch ein Blick in ihr verweintes Gesicht ließ mich sie auf um die sechzig schätzen. An die Küchenzeile gelehnt stand ein junger Mann in Arbeitskleidung. Er war groß und sportlich, hatte braunes, welliges Haar und ein offenes Gesicht. Er schaute mich ernst an, wahrscheinlich hielt er mich für einen der Ermittler.
»Ich heiße Vincent Jakobs«, erklärte ich und gab erst der Mutter, dann Elmar die Hand. »Alexa hat mich eben angerufen. Sie kann nicht selber kommen, aber vielleicht kann ich etwas für Sie tun?«
Elmars Mutter blickte fragend ihren Sohn an, Elmar wippte auf seinen Wollsocken herum.
»Es wird sich bald alles aufklären«, grummelte Elmar. »Ich brauche keinen Anwalt.«
»Aber es ist trotzdem nett, daß Sie gekommen sind«, sagte seine Mutter leise.
»Allerdings wäre es nicht nötig gewesen«, beharrte Elmar. »Hier ist ein Unfall auf dem Hof passiert – ein schlimmer Unfall. Mein Onkel ist von der Leiter gestürzt. Und jetzt behauptet eine Nachbarin, sie hätte meinen Onkel mit jemandem streiten hören. Dabei kann das gar nicht sein.« Elmar fuhr sich unwillig durch die Haare. »Es war niemand mehr auf dem Hof – außer uns, meiner Mutter und mir. Und wir waren am Arbeiten, meine Mutter im Haus und ich im Stall. Kurz vorher war noch einiges los hier, Leute, die Eier gekauft haben, ein Freund, der mir ein Werkzeug zurückgebracht hat, aber dann war endlich Ruhe, und wir konnten an unsere Arbeit gehen. Und jetzt behauptet diese Frau, mein Onkel hätte vom Dach aus mit jemandem gestritten. Das kann gar nicht sein.« Elmar ereiferte sich.
»Jetzt wollen die diesen Unfall womöglich meinem Sohn unterschieben, nur weil er vorher einen Streit mit Franz gehabt hat«, sagte
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