Replay - Das zweite Spiel
Vorwort
von John Grant
Es macht die Qualität eines Autors aus, dass er es versteht, aus einem Klischee etwas erfrischend Neues zu formen. Im Falle von Ken Grimwoods ›Replay‹ lässt sich das Klischee etwa folgendermaßen charakterisieren: »Ach, wenn ich könnte, würde ich alles anders machen. Ich würde mit dreißig nicht den Job aufgeben. Ich würde den dummen Fehler meiner ersten Ehe vermeiden. Ich würde nach Neuseeland auswandern. Ich würde …« Dem verwandt - und vielleicht etwas weniger klischeehaft - ist der vergebliche Wunsch, mehrere Leben parallel zu leben und jeweils unterschiedliche Dinge auszuprobieren: »Ich vergöttere meine Frau, und etwas Besseres, als sie zu heiraten, hätte mir gar nicht passieren können - aber ich hätte auch gern ein Leben mit der Soundso an meiner Seite verbracht…«
Fantasy und Science Fiction bedienen meistens letzteren Traum - mit Geschichten, die von anderen Wirklichkeiten oder Parallelwelten handeln können diese Vorstellung aber nur unzureichend umsetzen: Das Ich, das in einer anderen Realität lebt, ist mit MIR nicht identisch. Zeitreisegeschichten, in denen ein älterer Mensch seinem jüngeren Ich beispringt, leisten dies ebenso wenig, denn es geht immer um ›jemand anders‹ um ein Duplikat, das ein ganz anderes Leben lebt (das ursprüngliche ICH behält von der Begegnung offenbar nicht einmal Erinnerungen zurück, weil es in der neu definierten Zeitachse gar nicht erst existent wird).
Wie also geht der phantasievolle Autor mit diesem Traum um?
Ken Grimwood dachte sich folgendes Phänomen aus: Aus ungenannten Gründen (der Verzicht auf eine Erklärung ist ein wundervoller Zug, der eine Menge zur magischen Wirkung des Buches beiträgt) geraten bestimmte Menschen in eine Art Zeitschleife. Im Augenblick des Todes wird ihr Bewusstsein über eine Zeitspanne von Jahrzehnten hinweg in ihren jugendlichen Körper zurückbefördert, sodass sie tatsächlich die Möglichkeit bekommen, alles anders zu machen. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. {*}
Doch die Wiederholer müssen feststellen, dass der vermeintliche Segen nicht ungetrübt bleibt. Natürlich: Jeff Winston, die Hauptfigur des Romans, kann sein im Laufe der Wiederholungen erworbenes Wissen dazu nutzen, sich mühelos Reichtum zu verschaffen, und er erhält auch die Gelegenheit, statt seiner ursprünglichen Frau seine Jugendliebe zu heiraten, mit einer Nymphomanin pubertäre erotische Phantasien auszuleben und vor allem Pamela Phillips, eine andere Wiederholerin, der er in einem seiner Leben begegnet, mehrfach zu heiraten oder mit ihr zusammenzuleben. Das wahre Glück aber entzieht sich ihm, es bleibt ein Versprechen, das sich bei der nächsten Wiederholung erfüllen wird - bis es irgendwann mit den ständig kürzer ausfallenden Wiederholungen ein Ende hat. Der Grund dafür ist zum einen, dass es dem Menschen nicht gegeben ist, in einem einzigen Leben wahres Glück zu finden - Reue stellt sich ein, Irrtümer werden begangen und so weiter. Zum anderen liegt es daran, dass es so etwas wie eine perfekte Lebenswahl nicht gibt: Jeff vermag zwar einige der schlechten Entscheidungen, die er zuvor getroffen hat, zu vermeiden, doch die neuen, ›weiseren‹ Entschlüsse haben wiederum teils katastrophale Folgen. Die Gesellschaft ist eben so beschaffen, dass individuelle Entscheidungen sich nicht in einem Vakuum vollziehen, dass das Handeln des Einzelnen Reaktionen bewirkt, die mit verheerender Unvorhersehbarkeit auf ihn zurückwirken.
Grimwood war nicht nur so klug, zu begreifen, dass jeder neue Lebensentwurf eine neue Menschheitsgeschichte initiiert, er hat diesen Punkt sogar besonders betont: In einer der Wiederholungen beschließen Jeff und Pamela, öffentlich zu machen, dass sie Wiederholer sind, um das Phänomen wissenschaftlich erforschen zu lassen, es möglicherweise zu erklären, sodass die ganze Menschheit davon profitieren kann. Stattdessen aber werden sie festgenommen und von einem erbarmungslosen Geheimdienst ausgenutzt - mit dem Ergebnis, dass schließlich eine faschistische US-Regierung Leid und Elend über die ganze Menschheit bringt. Am Ende dieser Wiederholung sieht es ganz danach aus, als stünde unserer Spezies die totale Auslöschung bevor … Doch wird diese spezielle Zukunft tatsächlich Wirklichkeit werden, nachdem die beiden Wiederholer aus dem Spiel genommen sind? Wird sich diese Zeitlinie ohne ihr Dazutun fortsetzen? Oder hat sie vielleicht niemals existiert, weil ihre nächste
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