Baustelle Baby (German Edition)
mich. Mama, mittlerweile Mitte 70, hat sich gerade für den New-York-Marathon angemeldet. Mein Leben ist fantastisch! Mein Anwesen selbstverständlich Schöner- Wohnen-tauglich. Warum daran irgendetwas ändern? Kinder? Ja, früher hatte ich mal dran gedacht. Aber jetzt? Eine Babypause auf dem Hoch meiner Karriere? Unmöglich! Das Blöken eines Balgs in den Weiten meiner Villa? Unvorstellbar! Bekackte Windeln wechseln statt Schuh-Shopping? Völlig ausgeschlossen! Schwangerschaftsstreifen riskieren? Gelobt sei meine Bikinifigur! Wer braucht schon Blagen – ist doch alles wunderbar. Vielleicht nur ein bisschen hot, die untergehende Sonne dreht noch mal richtig auf am Temperaturregler. Und dreht. Und dreht. Sie wird größer. Heißer. Was für eine verdammte Hitze! Wie eine Hexe auf dem Scheiterhaufen fühle ich mich. Kommt man denn sofort in die Hölle, wenn man keine Kinder will? Ich brenne, verbrenne, bin klatschnass geschwitzt. Dabei fühle ich mich normalerweise erst ab 25 Grad so richtig wohl. Mein Temperaturregler ist völlig neben der Spur und, ehrlich gesagt, ich auch. Irgendwas stimmt nicht mit mir, irgendwas funktioniert nicht richtig.
Ah, kein Fegefeuer. Ich sitze beim Gynäkologen. Nein, ich liege aufgebahrt auf dem berühmten Stuhl, und der Mann, den ich noch nie zuvor gesehen habe, rührt mir mit dem eingegelten Ultraschall-Pimmel im Unterleib herum, als wollte er Pudding kochen.
»Frau Kraus, Sie wollen ja eh keine Kinder. Oder haben Sie sich Eizellen einfrieren lassen?«
Eizellen einfrieren? Irgendwo hatte ich doch da etwas über eine Hollywood-Diva gelesen ... Es will mir nur gerade partout nicht einfallen, wo.
»Herr Doktor …« Ich stutze. Ist dieser Typ wirklich Arzt? Er sieht aus wie Bud Spencer und besitzt die Vertrauen erweckende Ausstrahlung von Hannibal Lecter. »Herr Doktor, was habe ich denn?«
»Schon mal was von Hitzewallungen gehört? Die Pille können Sie sich sparen, Tampons wegschmeißen. Game over! Oder, wie wir Muschi-Doktoren sagen: Periode ade – Scheide tut nicht mehr weh. Ha ha ha ha ...« Er wirft den Kopf zurück und lacht über seinen Witz. Kurzzeitig sieht er aus wie ein Werwolf. Ich kann Männer mit Vollbart nicht ausstehen. Jetzt kommt er mir ganz nah und schaut mir tief in die Augen. Sein Atem riecht nach Zigaretten, altem Mann, und sein Gesicht wird plötzlich ganz grau, nur die irren Augen leuchten gelb. Er grinst mich an und blökt wie ein Bock: »Herzlich willkommen in der MENOPAUSE, Frau Krause!!!«
Schweißgebadet schreckte ich hoch. Mein Herz raste. Es dauerte einige Sekunden, dann spürte ich, wie mein Freund sich im Tiefschlaf räkelte. Mit weit aufgerissenen Augen lag ich in meinem Bett und starrte ins Dunkel der Nacht, das nur ansatzweise von den Lichtfetzen der Straßenlaternen erhellt wurde. Fein, ich befand mich nicht auf dem heißen Stuhl ... Dann hörte ich ein vertrautes schmatzendes Geräusch, meine Zehen sandten Kitzelalarm aus. Dabei wurde mein Geruchssinn vom wohlbekanntenund »unwiderstehlichen« Aroma vertilgten Pansens derart umnebelt, dass mir fast die Luft wegblieb. Ich blinzelte in die Dunkelheit, meine Augen gewöhnten sich langsam an die Lichtverhältnisse. Ich erspähte Romeo, der mir fürsorglich schlabbernd die Zehen leckte. Franky hechelte mit bebender Zunge neben mir am Kopfende und beäugte mich mit schräggelegtem Kopf. Beide fingen begeistert an, mit ihren Schwänzchen zu wedeln, als ich mich im Bett aufsetzte. Mein Blick fiel auf die Digitalanzeige des Radioweckers: 12. August 2008, 2 Uhr 42. Kurz mal nachgerechnet: Ich war vor ein paar Wochen 35 geworden. Puh! Glück gehabt. Und Hitzewallungen hatte ich auch noch nicht: Es war einfach verdammt heiß in diesem Spätsommer. Ich entspannte mich etwas, denn trotz Frankys gnadenloser Pansenattacke auf meinen Riechkolben durchströmte mich ein wohlbekanntes Glücksgefühl. Hey, ich war doch schon längst Mama – Hundemama!
Auch meine riesigen Köter konnte man nicht mal eben so jemandem in die Hand drücken – oder gar ins Handtäschchen packen wie die Tinkerbells dieser Welt. Trotzdem bekam ich alles immer irgendwie organisiert. Ich musste mit den Jungs täglich zwei Mal raus und regelmäßig zum Tierarzt. Ich wusste, was Bindung und Verantwortung bedeutet. Und ich hatte erlebt, wie man die eigenen Wünsche zugunsten einer maßlosen Liebe einfach so »opfern« kann. Oft bin ich statt nach Ibiza übers Wochenende »spontan« und hundefreundlich in den Taunus gefahren – und war
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