Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
den Teufel in Person darstellen. Sie möchten doch sicher nicht, dass das herauskommt, oder etwa?«
Hsien lief rot an. »Das ist Erpressung, Sie Bastard«, sagte er leise.
»Die Agency betrachtet es mehr als eine Art … Versicherung, Premierminister«, erwiderte der Agent gelassen. »Sind Sie nun bereit, einige Dinge zu besprechen?«
Hsien entgegnete darauf nichts, doch sein Schweigen war Zustimmung genug. »Gut«, fügte Smith an und grinste wieder schief. »Ich glaube, wir beide werden gut miteinander auskommen.«
Der Traumzustand setzte langsam ein, während er meditierte. Innerer und Äußerer Frieden harmonierten miteinander. Er befreite seinen Geist von allen bewussten Gedanken. Er wusste, etwas erwartete ihn, doch er war sich nicht sicher, was es sein mochte.
Draußen vor den hohen Fenstern von esGa ’us Festung auf der Ebene der Schmach tobte ein Sturm. Der Lord der Ausgestoßenen würde sich nicht umdrehen, um Sse’e He Yen anzusehen, doch er sprach zu ihm, indem er sich an die Mauern seiner Feste richtete und womöglich den ewigen Sturm betrachtete.
»Du hast meine Pläne vereitelt«, sagte esGa’u. »Die Dunkle Schwinge hat dich nicht angenommen, die Helle Schwinge steht dir bei. Der Stolz deiner Vorväter« – esGa’u hob einen Flügel in einer verächtlichen Geste – »wurde mit Füßen getreten und in alle Acht Winde verstreut, Hoher Lord, weil du zugelassen hast, dass ein Fremder euch besiegt. Glaub nicht, dass ihr voneinander lernen könnt, ehe die Finsternis kommt. Glaub nicht, dass es eine Brücke gibt, die euch mit ihrer Fremdartigkeit verbinden kann. Frieden mit diesen Menschen zu schließen, wird euch nur schwächen.«
esGa ’u schien das Wort Menschen förmlich auszuspucken, als bereite es ihm Schmerzen. »Es gibt eine Macht, die größer ist als ihr, und keiner von euch kann sie besiegen. Solange du lebst, werde ich dich nicht noch einmal warnen, Sse’e HeYen. Es ist hiermit geschehen.«
Der Traumzustand schmolz dahin, als Sse’e HeYen merkte, wie er in seinen Körper zurückkehrte. Der letzte Blick, den er auf esGa ’u werfen konnte, beunruhigte ihn zutiefst, denn der Lord der Ausgestoßenen hatte sich umgewandt und sah ihn an.
Viele Stockwerke tiefer schreckte Chris Boyd schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Das kam immer seltener vor, da der Meister des Sanktuariums ihm beibrachte, wie er seine Begabung kontrollieren konnte. Dennoch wusste er, dass sein Geist manchmal im Schlaf nach dem Geist von anderen suchte und deren Träume teilte.
Er stand aus dem Bett auf und fühlte sich ein wenig unsicher auf den Beinen, während er in der fast völligen Dunkelheit die Umrisse seines reich verzierten Schlafzimmers ausmachte. Langsam ging er zum Waschbecken und machte das Licht an. Mit einem Handtuch wischte er sich Gesicht und Hände trocken.
Die Traumbilder verfolgten ihn noch immer, als er in den Spiegel sah und mit müden Augen sein Gesicht betrachtete. Er wusste, er hatte soeben einen vorhersehenden Traum mit dem Hohen Lord geteilt. Was ihn vor allem erschreckte, war die Gewissheit, dass es sich um einen solchen Traum handelte. Er würde am Morgen mit Lord Sse’e darüber reden müssen, aber er rechnete nicht mehr damit, in dieser Nacht noch Schlaf zu finden.
Während er ins Wohnzimmer ging, um sich ein Buch auszusuchen, damit er die Zeit totschlagen konnte, dachte er immer wieder an das letzte Bild in diesem Traum: Es war esGa’u, der legendäre teufelsgleiche Lord der Ausgestoßenen, der ihn über die Schulter hinweg ansah. Sein Gesicht zeigte die erstarrten Züge von … Captain Thomas Stone.
Coda
Das Sol-Imperium hat seinen Frieden bekommen. Der Preis für das Ende eines zwei Generationen währenden Konflikts ist mehr als die Tatsache, dass der Kommandeur ins Exil geschickt wurde, ganz gleich, was Politiker in ihren gesalbten Reden von sich geben und was uninformierte Zivilisten analysieren. Die Menschheit muss diesen Sieg begreifen, wenn sie mit den Zor in Frieden leben will, und sie muss akzeptieren, dass es keinen Grund gibt, irgendwann wieder einen Konflikt zu beginnen.
In gewisser Weise hat sich gar nichts geändert. Sun Tzu schrieb, nur wer mit dem Schrecken des Kriegs vertraut sei, könne ihn erfolgreich fortführen.
Sechzig Jahre lang haben Generäle, Diplomaten und Politiker sich von einem unnatürlichen und völlig überflüssigen Verhaltenskodex beeinflussen lassen. Wir haben diesen Kodex von Anfang an außer Acht gelassen.
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