Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
tanzen kann - besser gesagt: auf die Kerle tanzen können. Mädchen tanzen ja sowieso zu allem.
»Ich weiß, ich auch! Schau mal, da ist André, mein Freund!« Olivia zeigt auf einen großen dunkelhäutigen Typ, der näher zur Bühne hin steht, dort auf- und abhüpft und sich auf kontrollierte Weise - auf coole Weise - zur intensiv pulsierenden Musik schüttelt. Sie winkt ihm.
»Hi!«, ruft Olivia ihm zu und zieht mich zu ihm hinüber. Als wir näher kommen, sehe ich, dass André gut angezogen ist. Er trägt eine eng anliegende Jeans, ein rotes T-Shirt mit V-Ausschnitt und eine glänzende Vinyl-Weste mit aufgemalten orangefarbenen und roten Flammen. Im V-Ausschnitt seines T-Shirts hängen ein paar coole Ketten.
»Hallihallo!«, begrüßt er mich. »Schön, dich kennenzulernen. Toller Schal.«
»Dich auch! Ich meine, es ist auch schön, dich kennenzulernen.« Ich krächze fast, weil ich sofort, auf eine ganz irre Art und Weise, weiß, dass dieser Typ schwul ist. Das spüre ich einfach. Ganz anders als bei Jay. André ist wirklich und echt schwul, oder zumindest bi. Ich meine, diese Weste?
Und er ist echt heiß. Super Body, rasierter Kopf, dunkle Augen. Smoking Style. Alles ist toll an ihm.
»Du musst demnach Zack sein, stimmt's?«, fragt André mich. Ich kann nicht anders, als dauernd an meinem Schal rumzuzupfen.
»Oh ja, sorry, ich hab ganz vergessen, mich vorzustellen«, sage ich und werde rot. Ich will ihm die Hand schütteln, aber er beugt sich einfach vor und küsst mich auf die Wangen. »Das ist doch total verrückt! Das Konzert, meine ich.«
»Verdammt verrückt, stimmt.« André lacht. »Ich hol uns mal ein paar Bier. Olivia?«
Olivia lächelt nervös. »Gut, okay. Wieso nicht?«
»Entspann dich!« André klopft mir auf den Rücken und schiebt sich aus unserer Reihe, um zum Getränkestand zu gelangen. Kaum ist er außer Sichtweite, wirble ich ein bisschen heftiger zu Olivia herum als beabsichtigt.
»Livvy! André ist ein Schnuckel!« Ich halte mich an ihren Schultern fest, um nicht allzusehr zu schwanken. »Wieso hast du mir das denn nicht gesagt? Und erzähl mir jetzt nicht, er sei nicht schwul. Ich weiß es. Er ist schwul. Es geht gar nicht anders. Also, dass er nicht schwul ist.«
Olivia lächelt, aber es ist ein nervöses, unbehagliches Lächeln. Sie trägt Jeans, Stiefel und ein süßes Oberteil, aber dieses Konzert (vor allem Backstage) ist so rappelvoll mit Menschen in verrückter, scharfer Aufmachung, dass sie genauso gut eine Latzhose und Ballettschläppchen tragen könnte. Mindestens die Hälfte raucht, und ich kann ganz deutlich eine Mischung aus Tabak und noch etwas anderem ausmachen, was ich aus Amsterdam kenne. Olivia ist hier sichtlich nicht in ihrem Element, und ganz anders als Alex, die solche Situationen immer als Herausforderung ansieht, sich zu beweisen, schreckt Olivia zurück wie ein Mauerblümchen. Jetzt bin ich mir doch nicht mehr so sicher, ob ich mit anderen Leuten denselben Spaß haben kann wie mit Alex.
Diese Erkenntnis ist so dermaßen beunruhigend, dass der laute, eindringliche Bass der Musik immer weiter und weiter wegrückt. Eine Sekunde lang fühle ich mich so fern von allem, dass ich mich selbst fast wie in einem Film betrachte. Könnte ich Alex doch bloß vergeben! Und sei es nur für solche Momente wie diesen hier.
»Du wünscht dir, dass Alex jetzt hier sein könnte, nicht?«, fragt Olivia mich.
»Äh«, sage ich. »Aber nur wegen ihres Unterhaltungswertes.«
»Ja«, seufzt Olivia. »Ich bin eben langweilig.«
»Olivia.« Ich drehe ihr Gesicht zu mir. »Das stimmt nicht. Mit dir ist es genauso lustig wie mit Alex. Und jetzt Schluss mit dem Selbstmitleid! Wir brauchen sie nicht. Wir amüsieren uns auch so in Paris! Laissez les bon temps rouler!«
Olivia verdreht die Augen und lässt ihre Hand in meine gleiten. »Klar, Zack. Wir können's versuchen.«
In diesem Moment kommt André mit den Bieren zurück. Er hat gleich sechs Flaschen gekauft, sodass wir die erste in einem Zug austrinken, um dann mit der zweiten in der Hand zur Musik tanzen zu können. »Ihr müsst das Erste ganz schnell trinken!«, weist André uns an. Olivias Blick ist skeptisch. »Na gut, aber dann ist es nicht meine Schuld, wenn das Zweite lauwarm ist, wenn du's endlich trinkst!« Damit leert André den Inhalt seiner Flasche auf ex. Ich beobachte, wie Andrés Adamsapfel auf- und abhüpft, während die Flüssigkeit seine Kehle hinunterrinnt. Er schüttelt den Kopf. »Das bringt mich in
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