Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
euphorisch und überschwänglich wirkt, was bei ihr selten vorkommt. »Genau das wollte ich auch. Ohne dass es mir wirklich bewusst war.«
»Aber was sollte denn das gerade eben mit diesem Drogenhandel? Was zum Teufel haben diese Zeitungsschreiber da draußen gemeint?«, frage ich, unsicher, ob ich die Wahrheit überhaupt wissen will.
»Ach, die fördern doch alles mögliche Zeug über PJs Leben in Vermont zutage, denke ich«, entgegnet Livvy, und ihre Miene verdüstert sich so schnell, wie sie sich bei unserem Zusammentreffen eben erhellt hat. »Hat sie dir jemals was von ihren Eltern erzählt? Glaubst du, da könnte was dran sein?«
Ich schüttle den Kopf. Und wenn doch, dann gibt es vielleicht sogar noch eine Menge weitere Gründe, warum PJ von der Brücke gesprungen ist. Diese Erkenntnis überschattet fast den Glauben, den ich hatte, dass sie irgendwo da draußen ist, dieses Gefühl, das gestern Abend noch so stark war.
»Lass uns gar nicht darüber nachdenken«, meint Livvy. »Madame Cuchon wird es uns schon erzählen, wenn wir's wissen müssen.«
Wie dumm war es, Mme Cuchon nicht früher anzuvertrauen, was wir wussten. Und wollten Olivia und ich nicht genau das auch tun? Aber Jay und Alex haben es uns ausgeredet.
Just in diesem Augenblick kommt Alex zur ersten Unterrichtsstunde herein, mit klackernden schwarzen Stiefeln und diesem albernen Pelzmantel, den sie in der Eigentumswohnung in Montauban gefunden hat. Dabei ist es heute gar nicht so kalt. Sie winkt uns und gestikuliert aufgeregt wegen Livvys Haaren, worauf Olivia lächelt.
Ich weiß, dass Alex gern bei uns sitzen würde, und auch, dass Olivia es schön fände, wenn ich das zuließe. Rings um uns herum gibt es ziemlich viele freie Holztische. Aber ich kann mich einfach nicht zu einem Lächeln durchringen und sie zu uns herwinken. Nicht jetzt. Nicht nach alldem, was geschehen ist - wie sie Jay angemacht hat, statt ihm dabei zu helfen, PJ zu retten. Nicht nachdem mir immer und immer deutlicher wird, wie diese Tragödie hätte verhindert werden können ... Ach, hätte ich Alex an Weihnachten nur Paroli geboten, als sie und Jay auf ihrem hirnverbrannten Plan bestanden, nach Montauban und danach nach Cannes zu fahren!
Hat sie gewusst, dass PJs Eltern in Schwierigkeiten stecken?, frage ich mich, während ich beobachte, wie Alex ihre vom Lipgloss schimmernde Unterlippe vorschiebt, auf die andere Seite des Raums hinübergeht und sich zu Sara-Louise und Mary setzt. Die Gerüchte über PJs rätselhaftes Leben in Vermont werden von Tag zu Tag wilder. Alex hat zu der damaligen Zeit nichts in der Richtung erwähnt, aber wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, muss das nichts heißen. Sie setzt sich stolz an einen Tisch und breitet ihre Habseligkeiten um sich herum aus, als säßen wir alle bei ihr zu Hause: Make-up, Stifte, Schreibzeug, sogar ein Buch, etwas, das ich sie noch nie aus ihrer riesigen kamelfarbenen ledernen Tragetasche habe ziehen sehen.
Wetten, sie wusste es, fährt es mir durch den Sinn. Das würde im Nachhinein jedenfalls so einiges erklären. Alex entgeht nichts. Absolut gar nichts.
Schon immer war Alex ein bisschen sonderbar, was Penelope Jane Fletcher anging und die Gründe, warum sie sie nicht leiden konnte. Bisher habe ich immer gedacht, es lag daran, dass Alex mit ihren teuren Klamotten, ihrem luxuriösen, komplizierten Schönheitssystem und ihrem Übereifer, das begehrteste Mädchen vom ganzen Lycée zu werden, PJ beneidet hat. PJ hatte eine ganz natürliche, ungezwungene Schönheit, die sie selbst kaum richtig wahrzunehmen schien. Aber jetzt, als ich mich so an das vergangene Schulhalbjahr erinnere, wird mir klar, dass es vielleicht weitaus mehr war: Die Mädchen sind mit demselben Flieger von New York hergeflogen und müssen dort schon aufeinandergetroffen sein. Aber als sie ausgestiegen sind, haben sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Und dann, urplötzlich, machte Alex lauter Vorschläge, wo wir PJ in den Winterferien finden könnten: dass wir nach Süden fahren sollten, in Richtung Montauban, dann nach Toulouse und schließlich nach Cannes. Dabei kamen wir mit jedem neuen Ort, zu dem wir fuhren, immer weiter von der Stelle ab, an der die Polizei schlussendlich PJs Habseligkeiten in Rouen gefunden hat.
Ich schaudere an meinem Holztisch, als mir entsetzliche Gedanken und Anschuldigungen durch den Kopf gehen. Was, wenn Alex uns absichtlich nach Süden gelenkt hat, weil sie wusste, dass PJ im Norden war?
Ich kann mich
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