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Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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letzte Nacht gesagt hat, dass sie nicht mehr weitermachen will, ruft in mir das Gefühl hervor, mich im freien Fall zu befinden. Als würde sie mich von einer Brücke in eiskaltes Flusswasser stoßen.
    Ich schlucke einen kleinen Happen Fisch hinunter. Meine Ohren und mein Nacken sind ganz kalt vor Angst. Ich lege meine Gabel hin und zwinge mich, Annabel anzulächeln. Sie bricht sich gerade fröhlich ein Stück Brot ab und stippt es in die fischige Olivenölpfütze auf ihrem Teller. Sie kompensiert alle übersprungenen Mahlzeiten, aber ich bin überhaupt nicht hungrig. Ich schmiede innerlich einen neuen Plan, einen recht riskanten.
    Wir werden nach Paris fahren, Jay finden und ihn bitten, uns zu helfen. Dabei gehe ich natürlich nicht davon aus, dass Jay im Passfälschergeschäft tätig ist. Aber von allen Menschen, die ich kenne, versteht Jay am besten, was es bedeutet, zu leiden und hinter der Freiheit herzujagen. Er kann uns helfen. Das weiß ich einfach.
    In diesem Augenblick kommt das Mädchen von der Rezeption in die Küche und bleibt hinter Annabel stehen. »Da ist jemand, der euch sehen möchte«, erklärt sie uns auf Französisch. Gespannt sieht Annabel mich an und wartet, dass ich ihr übersetze.
    Ich schlucke. »Da ist jemand?« Meine Hände sind plötzlich ganz taub.
    »Il attend dans la loge«, sagt das Mädchen. Wir starren sie an.
    Ich hole tief Luft und versuche, mit wackligen Knien vom Tisch aufzustehen. »M. Marquet - er wartet in der Lobby?«, bringe ich erstickt hervor. Das ist mein allererster Gedanke. Mein zweiter ist, dass Jay mich womöglich gefunden hat, auf unerklärliche Weise, und nun ist er hier und wir können noch heute Abend nach Mittelamerika aufbrechen.
    »Nein, Penny, nicht er«, sagt Annabel, und zuerst ist mir nicht klar, ob sie damit Jay oder M. Marquet meint. Sie sieht nämlich so freudestrahlend aus, dass ich nicht sagen kann, ob sie weiß, wie schlimm es wäre, wenn es sich um M. Marquet handelte. Sie springt auf und zieht mich die Stufen zur Eingangshalle hinunter, wobei sie vor lauter Aufregung stolpert. Wir landen in einem Knäuel aus Haaren, langen Armen und Beinen und alten Wollpullis, die wir uns wegen der immerwährenden Kälte in Cherbourg umgebunden haben. Wir stürzen übereinander, um zu sehen, wer es ist. Ich, weil ich meinem Schicksal möglichst schnell und direkt in die Augen schauen will, und Annabel, weil ...
    »Dave!«, kreischt sie.
    Ich halte den Atem an. Nie hätte ich gedacht, dass sie diesen alten vertrauten Namen noch einmal aussprechen würde.
    Aber wirklich: Es ist Dave. Dunkelhaarig, schlank, mit rauer Haut und abgekauten Fingernägeln. Dave, um dessen Augen und Lächeln sich sämtliche meiner romantischen Teenager-Fantasien gedreht haben. Er sitzt mit einer ausgeleierten farbbespritzten Hose und einem Flanellhemd auf dem Sofa, inmitten unseres kleinen Hostels in Cherbourg, als hätten wir uns hier vor Urzeiten verabredet.
    Es ist wie in einem Stummfilm, bei dem die Filmspulen im Projektor klackern. Trotz unserer Flucht wurden wir gefunden.
    Er lächelt uns an, genauso freudestrahlend wie Annabel, und nicht im Mindesten überrascht, mich zu sehen.
    Sie springt in seine Arme und schlingt ihre langen Beine um seinen Bauch. Sie küssen sich volle fünf Minuten lang, während ich danebenstehe. Verwirrt. Und entsetzt. Ich muss wegschauen.
    Annabel und Dave krallen sich ineinander und können gar nicht mehr voneinander lassen. Beide zeichnen mit ihren Fingerspitzen die Kinnlinien und Schlüsselbeine des anderen nach und fahren sich gegenseitig leidenschaftlich durch die Haare.
    »Dave!«, unterbreche ich sie, als ich endlich wieder zu mir komme. Als ich mit meinem Mund den Klang der Buchstaben forme, die seinen einfachen Namen ausmachen, fühlt es sich so an, als würde sich meine Zunge um ein Messer schlingen. »Was machst du hier? Wer ist noch mitgekommen?«
    Dave löst sein Gesicht von dem meiner Schwester und nickt mir zu. »Hey, Penny Lane. Find's auch toll, dich zu sehen.« Annabel hüpft von ihm herunter, sodass er mich nun zur Begrüßung umarmen kann. »Ich bin ganz allein hergekommen. Gleich, als Annabel mich angerufen hat.«
    Ich tätschle ihn verlegen. Jetzt, da ich nicht mehr dreizehn bin, kann ich nicht mehr wirklich nachvollziehen, was Annabel an ihm findet - oder fand. Ja, er hat ein nettes Lächeln und in seinen Augen liegt noch immer ein funkelnder Schalk, aber seine ungepflegten Zähne verraten seine provinziellen Vermont-Wurzeln. Durch

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