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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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va maman?«, fragt der Junge mich.
    »Weg.« Ich zeige mit einer Handbewegung nach draußen. »Weg. Kurze Zeit.« Da ich annehme, dass er kein Englisch kann, versuche ich alles so einfach zu formulieren wie möglich.
    Aber er versteht mich trotzdem nicht. Auch seine Schwester nicht. Beide starren mich aus ihren großen braunen Augen an, die sich rasch mit Tränen füllen. Ich beobachte, wie das kleine Mädchen ganz langsam ihren Mund öffnet, so weit wie nur möglich. Gleich wird sie einen lauten, durchdringenden Schrei ausstoßen.
    »Nein!«, will ich sie stoppen, aber zu spät. Schon schreit sie schrill und in hoher Dezibelzahl los. Es dauert nur eine oder zwei Sekunden, bis auch ihr älterer Bruder mitbrüllt, und als Letztes gesellt sich schließlich das Baby aus dem Kinderzimmer dazu.
    Wenigstens an dessen Namen kann ich mich erinnern.
    »Charles!«, rufe ich, während ich in den abgedunkelten Raum mit dem Babybett renne. »Schhhhh!«
    Ich beuge mich über die Seite des kleinen weißen Bettchens und schaue hinunter auf die sich windende Masse geballter Wut mit verzerrtem Gesichtchen, so als würde es die gesamte Enttäuschung dieser Welt in seinen Ausbruch hineinlegen. Genauso bin ich auch, wenn mich jemand unvermutet aus dem Schlaf reißt, denke ich.
    Er braucht nur zu wissen, dass es total in Ordnung für ihn ist, wenn er weiterschläft.
    Ich tätschle sein kleines Bäuchlein. »Braver Junge«, sage ich aufmunternd. »Schlaf jetzt weiter. Du brauchst nicht wach zu sein.«
    Aber er denkt gar nicht daran. Charles schreit weiter und zu meinem Entsetzen tun die anderen in der Diele es ihm nach, gerade so, als würde ihre Mutter nie mehr zurückkehren.
    Das darfst du nicht mal denken, geht es mir mit einem Schaudern durch den Kopf. Sie muss wiederkommen!
    Plötzlich reiße ich meine Hand von Charles Bauch zurück. Vielleicht ist es ja sogar das Falscheste, was man mit einem Baby machen kann?
    Babys sind sehr sensibel. Das habe ich in Zeitschriftenartikeln über Promi-Mütter gelesen. Vielleicht soll man sie ja nicht berühren, bevor sie nicht schon etwas älter sind? Womöglich denken sie dann, man will ihnen etwas zuleide tun.
    Irgendjemand hat mir mal erzählt, dass Babys aggressiv werden, weil sie sich von einem eingeschüchtert fühlen, davon, wie viel größer man ist als sie. Man muss sich auf ihre Höhe begeben und erst dann mit ihnen reden, damit sie sich nicht so bedroht fühlen.
    Ich knie mich also auf den fleckigen Teppich, wobei ich darauf achte, dass ich nicht in Kontakt mit etwas gerate, was so aussieht wie die Reste von Babykacke, und lache fröhlich. Hoffentlich klingt das entspannt und gelassen. Ich blicke dem Baby durch die Gitter des Bettchens nicht direkt in die Augen.
    »Alles ist gut, Charles, weine nicht. Braver Junge!« Ich bemühe mich um einen munteren, unbedrohlichen Ton. »Komm, Baby, du kannst es. Hör auf zu weinen. Okay?«
    Plötzlich fällt mir ein, dass, wer auch immer mir den Rat gegeben hatte, derjenige über aggressive Hunde geredet hatte und nicht über Babys.
    Ich stehe wieder auf.
    Was soll ich bloß machen? Ist das nicht sogar eine Foltermethode, die Soldaten bei Kriegsgefangenen anwenden? Sie spielen Aufnahmen von schreienden Babys ab, bis die Verbrecher völlig entnervt aufgeben und ihnen verraten, wo sie die Bombe versteckt haben?
    Ich gebe auf! Aber bitte, bitte hör auf zu weinen!
    Der kleine Junge kommt in den Raum. Er hat sein eigenes Geheul für ein paar Minuten unterbrochen, wobei man das angesichts des weltmeisterhaften Gebrülls seines Brüderchens eigentlich gar nicht so genau sagen kann. Anscheinend ist dieses Kind so überrascht, wie wenig Erfolg ich bei seinem Bruder habe, dass er aus Schock darüber verstummt ist.
    Der Junge, der noch immer seinen Mantel anhat, macht mir Zeichen, dass ich die Seite des Kinderbettchens herunterklappen soll. Er ist stark genug, um das Baby auf den Arm zu nehmen, und geht mit Charles zu einem Schaukelstuhl in der Ecke des Zimmers, wo er den kleinen Körper an seine rechte Schulter lehnt.
    Jetzt kommt auch das kleine Mädchen herein, ebenfalls von Neugier getrieben und von ihren eigenen Tränen abgelenkt, und versucht, meine Hand zu nehmen, aber ihre ist mit irgendetwas Klebrigem verschmiert, und ich entziehe ihr meine.
    Als ich sehe, wie Charles' Bruder sich um ihn kümmert, komme ich zu dem Schluss, es sei am besten, alle unter Beobachtung zu halten und dafür zu sorgen, dass keiner etwas Blödes tut. Aus einem Teeparty-Set in

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