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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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    »D'accord«, stimmt Marni zu, und binnen zwei Minuten steckt mein Kopf unter brühend heißem Wasser, während meine Haare zum ersten Mal seit einer Woche shampooniert werden.
    Nachdem das Werk vollbracht ist, applaudiert André begeistert. »Genau das habe ich gemeint, als ich Genie gesagt habe«, bricht es aus ihm heraus. Marni fährt mir abschließend strubbelnd durch die Haare. »Schau nur, Olivia-Schatz, schau!«
    Wie in einer großen Styling-Sendung im Fernsehen dreht Marni mich mit Schwung im Stuhl herum und zeigt mir mit großer theatralischer Geste ihr Werk. Die Person, die mir aus dem Spiegel entgegenstarrt, ist blass, mit heller Haut, die einen Kontrast zum dunklen mahagonifarbenen Haar bildet, das fachmännisch zu einem süßen kurzen Pixie Cut geschnitten wurde. Es ist eng an meinen Kopf gefönt und seidenweich. Dadurch liegt mein weißer Hals frei, der länger und eleganter erscheint. Wie auf der Titelseite einer französischen Zeitschrift. Wie auf der Titelseite von Jalouse.
    »Oh mein Gott.« Ich greife hinter mich ins Leere, um zu sehen, ob das auch wirklich real ist: Sind meine Haare tatsächlich ab?
    »Du siehst wunderschön aus!«, sagt Marni mit starkem französischem Akzent und echter Begeisterung. »Schau dich nur an. Regarde!«
    »Meine Mom wird ausflippen«, rufe ich und umarme André dankbar. Noch nie habe ich mich so perfekt pariserisch gefühlt. Und zum ersten Mal seit Wochen fühlt sich diese ganze aufgestaute Energie in mir nicht mehr an wie Wut, sondern wie freudige Aufregung.
    »Eine ganz neue Olivia!«, gluckst André. »Große Klasse!«
    »La coupe est parfait pour toi, mademoiselle«, erklärt Marni mir. »Der Schnitt bringt dein kleines herzförmiges Gesicht gut zur Geltung!«
    Ich reiche Marni mein gesamtes Bargeld, und dann beiße ich zu guter Letzt noch einmal von meinem würzigen Hühnchen im Styropor-Behälter ab. Diesmal brennt es nicht, oder zumindest nicht mehr ganz so schlimm. Es schmeckt süß und pikant und unglaublich lecker.
    »Ja, das ist wirklich ein ganz neues Ich!«, sage ich zu André und greife so beiläufig wie ich kann nach meiner Wasserflasche, um meine brennende Zunge zu beruhigen.

 
4 • ZACK
    Beweis
    Pierson ruft ziemlich spät an. Ich setze mich in meinem schmalen So-hart-wie-ein-Tennessee-Felsgestein-Bett auf, wo ich mich gerade erfolglos damit abgemüht habe, die Hausaufgabe aus unserem neuen Kreativ-Schreibkurs zu verstehen. Während wir alle im letzten Halbjahr Kunst hatten, sollen wir dieses Jahr unsere neu entdeckten Sprachfähigkeiten in Französisch dazu nutzen, um zu schreiben, und zwar nicht nur in grundsätzlich sinnvollen Sätzen, sondern eben kreativ, und dafür Noten erhalten. Wie dämlich kann Schule eigentlich noch werden?
    »Ach, Pierson, ich würde alles dafür tun, wieder in Amsterdam zu sein. Ich vermisse dich!«
    »Oh, hey, Zack?«, entgegnet mir eine Stimme, die mir nicht wirklich vertraut ist. »Ich bin's, Bobby.«
    Oh - mein - Gott! Der Bobby, der mich in den Winterferien fast geküsst hat? Ach du heilige Scheiße, damit habe ich jetzt überhaupt nicht gerechnet!
    Nervös wechsle ich das Handy ans andere Ohr. Fast wäre es mir dabei aus den feuchten Händen gerutscht.
    »Pierson hat mir erlaubt, sein Handy zu benutzen«, sagt Bobby und fährt dann etwas gedämpfter fort: »Mein Guthaben ist alle.«
    Ich habe ihm noch gar nicht geantwortet. Bevor ich reagiere, prüfe ich nach, ob meine Zimmertür wirklich ganz geschlossen ist. Einfach nur so.
    »Hi, Bobby«, sage ich, als hätte ich seinen Anruf erwartet. »Wie geht's, du Held?« Ich versuche, meine Stimme tiefer klingen zu lassen als sonst.
    »Toll, Mann, toll«, antwortet Bobby. »Hey, hör mal, Pierson ist hier und möchte dich bestimmt auch gern sprechen, immerhin bezahlt er ja das Telefonat, aber ich wollte dir zumindest schon mal schnell durchgeben, wann meine Frühlingsferien sind. Wäre es okay für deine Gastfamilie - und natürlich auch für dich -, wenn ich in der ersten Märzwoche für ein paar Tage nach Paris komme? Wenn's nicht klappt, ist das natürlich in Ordnung -«
    »Nein, nein, das passt sehr gut!«, entgegne ich mit einem breiten Grinsen. »Ich kann's gar nicht erwarten! Du musst mir unbedingt mailen, welchen Zug du nimmst - du kommst wahrscheinlich am Gare du Nord an, weil du ja aus dem Norden anreist. Ich hole dich am Bahnhof ab und ich werde ein paar tolle Touren für dich organisieren. Magst du Museen? Ach ja klar, natürlich. Das ist toll. Es wird

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