Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
eigentlich sagen wollen, dass ich gerade keinen Bock auf Schokolade habe, aber dann ist mir stattdessen »dich« rausgerutscht. Alex, die ohnehin schon blass ist, sieht so aus, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst. »Tut mir leid.« Ich fühle mich schrecklich. Aber sie hat es verdient. Sie hat mir in den letzten fünf Monaten viel, viel Schlimmeres angetan.
Sara-Louise und Mary sind ebenfalls Zeugen der Szene und verfolgen sie mit großen Augen und gespitzten Ohren. Als Alex wieder zu ihnen hinüberschlendert, kommt M. Paton in die Klasse und sagt uns, dass wir die Mathebücher rausholen sollen. Wie immer ist er schlecht gelaunt und begrüßt uns nicht mal richtig.
»Ich habe gestern Abend mit dem Kanaljungen telefoniert«, flüstere ich Olivia zu, während wir die angegebene Seite aufschlagen. Alex beobachtet uns, ist aber außer Hörweite. »Er kommt mich in der Frühjahrspause besuchen!«
»Bobby, ja? Wie toll, Zack!«, ruft Olivia fast tonlos aus.
»Ich weiß! Wie soll ich es nur aushalten bis dahin? Hier in Paris ist in letzter Zeit alles so ... eklig. PJ und diese gruseligen Reporter und -«
»Alex?«, flüstert Olivia. »Könnt ihr euch nicht bald mal wieder vertragen? Ich finde es ganz schlimm, dass ihr euch gerade so spinnefeind seid! Das passt einfach nicht.«
»Da ist gar nicht dran zu denken, Livvy«, sage ich. »Von Alex kommt einfach nichts Gutes. Sie und ich sind miteinander fertig.« Als ich das ausspreche, überläuft mich ein Schauder - es klingt ziemlich endgültig. Ich bin noch nie gut darin gewesen, Menschen aus meinem Leben zu verbannen - nicht mal die, die nichts als Schaden anrichten.
»Zack! Das meinst du nicht ernst.«
»Doch, das ist die Wahrheit«, sage ich. »Aber du hast schon recht: Ohne dass Alex einen auf Trab hält, ist echt nicht viel los. Wenn du nicht immer beim Ballett wärst, lernen würdest oder mit Thomas zusammen wärst, könnten wir ja mal was zusammen machen.« Ich werfe ihr einen bedeutungsvollen Blick zu, um ihr zu zeigen, was ich von ihrem unmöglichen Terminkalender halte. »Um uns mal ein bisschen auf andere Gedanken zu bringen!« Ich versuche, fröhlich zu lachen und die widerwärtigen Gedanken an Alex, an PJ und alles andere abzuschütteln.
»Hey, ich wollte dich sowieso gern mal meinem Freund André vorstellen. Ich gehe mit ihm am Wochenende auf ein Konzert in Bercy. Kommst du mit? Ich weiß nicht genau, ob ich cool genug bin, ohne Verstärkung hinzugehen«, sagt Olivia. »Er ist so wild. Er wird dich garantiert von Alex und auch von allem anderen ablenken.«
Zum zweiten Mal seit Alex den Raum betreten hat, spüre ich, wie ein echtes Strahlen über mein Gesicht geht.
* * *
Das Konzert findet am Samstagabend in der Sportarena von Bercy statt. Olivia und ich fahren in der rappelvollen Metro zum Parc de Bercy raus, zusammen mit vielen anderen, die ebenfalls zum Konzert wollen. Wir sind zwischen zwei taff aussehenden Typen eingequetscht, die sich gerade große Bierdosen aufmachen. Irgendeine Brit-Pop-Gruppe tritt auf, die dieser André anscheinend total gut findet. Als Olivia mir gesagt hat, wer spielt, ist mir eingefallen, dass lauter Plakate von dieser Band in den U-Bahn-Stationen aushingen. All die vielen Male, wenn ich die Werbung gesehen habe, hätte ich nie gedacht, dass ich mal so cool sein würde, hinzugehen. Und dann auch noch mit Backstage-Pässen, die Olivias Freund für uns besorgt hat!
Das ist besser als alles, was Alex Nguyen je in Paris für uns ausgeheckt hat. Vielleicht ist es ja sogar noch aufregender und wilder, mit anderen Menschen zusammen zu sein als mit ihr!
»Hier wollte ich schon immer mal ein Konzert erleben!«, rufe ich Olivia zu, als wir durch den Sicherheitscheck gehen und zur Bühnenseite geleitet werden, an der sich all die anderen VIPs und Backstage-Leute aufhalten. Von der Seitenbühne aus können wir das ganze Stadion überblicken. Es ist absolut gigantisch und gedrängt voll mit Menschen, die so aufgedreht sind wie Fußballfans bei der Fußballweltmeisterschaft. Alle ganz großen Konzerte in Paris finden hier statt, und genau wie bei allen Stadionveranstaltungen in den USA geht es hier nicht nur um die Band oder die Musik, sondern um das irre Gefühl, Teil einer riesengroßen Menschenmenge zu sein, die alle dasselbe wollen. Die Vorband hat bereits angefangen - sie spielen schnelle, kurze Songs mit tollen Harmonien über den Gitarrenparts. Ich wippe mit dem Kopf mit. Ich liebe Musik, die rockt, zu der man aber auch
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