Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
McDo!«
Manchmal überkommt mich tatsächlich ein unüberwindbarer Appetit auf Pommes von McDonald's. Vor unserem Streit in Cannes konnte ich immer auf Zack zählen, dass er mitkommt und so tut, als würde er sich die Pommes mit mir teilen, obwohl wir beide genau wussten, dass eigentlich ich den Hauptteil aß.
»Du weißt doch gar nichts über amerikanische Mädchen«, murmle ich. »Und schon gar nichts über mich.«
Dieser Typ macht mich auf eine Art und Weise nervös, hinter der sich nicht nur Genervtheit verbirgt. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich ihm schon mal begegnet bin. Ganz intuitiv spüre ich den Impuls, ihm nichts über mich zu verraten. Wahrscheinlich liegt das bloß an meinem tief sitzenden Widerwillen, mit einem Franzosen auszugehen, nachdem meine Mom und ich von meinem Dad so fies betrogen und im Stich gelassen worden sind ... Denny ist wahrscheinlich ganz normal, rede ich mir beruhigend ein.
Auch wenn es eindeutig nicht normal ist, dass ein Typ, egal wie süß er ist, einfach auf jemanden mit kleinen Kinder zugeht und ihnen Blaubeeren anbietet. Genau davor werden Mädchen von ihren Müttern immer gewarnt. Meine Mutter dagegen warnt mich nur vor so Sachen wie Gerüschtem (je nachdem, wo die Rüschen am Körper sind, kann das recht unvorteilhaft aussehen) und vor diesem Flohmarkt in East Village, wo es scheinbar tolle Angebote bei Vintage-Kleidung gibt, man aber in Wirklichkeit über den Tisch gezogen wird. Meine Mom würde den Typen wahrscheinlich für harmlos oder sogar für ganz amüsant halten. Sie würde zwar nicht wollen, dass ich mit ihm ausgehe, aber sie würde ihn als eine Art Lokalkolorit wertschätzen. Ein Bonvivant in la grande tradition parisienne. Es ist sehr französisch, einfach so mit Leuten im Park ins Gespräch zu kommen. Aber die Blaubeeren - Blaubeeren hat mir bisher noch niemand angeboten.
»Es gehen gerade die Masern rum«, sage ich, auch wenn ich weiß, dass ich nicht erklären muss, was wir vorhaben. »Wir sind auf dem Weg zum Arzt.«
Mir entgeht nicht, dass Emeline und Albert glücklich Blaubeeren aus Dennys Tüte futtern und dabei immer mehr klebrige violette Flecken auf dem Kinn und den Handflächen bekommen. »Nicht essen!«, japse ich ein bisschen zu spät und ziehe sie von der Papiertüte weg, die inzwischen von der Blaubeermatsche und -soße unten ganz feucht geworden ist.
»Wieso denn nicht?«, fragt Denny und steckt sich eine in den Mund. »Die sind bio. Und ich habe nichts dagegen.«
»Weil wir dich ja nicht mal richtig kennen«, erkläre ich ihm. Ich nehme das seidene Taschentuch, das ich an den Griff meiner Tragetasche geknotet habe und wische den Kindern damit den Mund ab.
»Ich würde dich aber gern kennenlernen«, sagt Denny mit einem schiefen Lächeln. »Ich würde dich gern mal zum Mittagessen einladen, wie ich schon letztes Mal gesagt habe.«
»Ich gehe doch nicht mit einem schrägen Typen aus, der amerikanische Mädchen von einem Park zum nächsten verfolgt.«
Denny lacht. »Genau das gefällt mir an dir so gut. Du bist so ... wie heißt das auf Englisch ... du nimmst kein Blatt vor den Mund und sprichst einfach aus, was du denkst.«
»Kein Blatt vor den Mund?« Wie unverschämt! Ich schnappe mir zwei violette kleine Händchen und ziehe sie von Denny und seinen Blaubeeren weg. »Wir sind ziemlich in Eile. Tut mir leid. Ich kann nicht länger bleiben.« Ich lege meine ganze Verachtung in die Worte, um ihm zu zeigen, dass es mir überhaupt nicht leidtut. Mir gefällt ganz und gar nicht, welche Richtung das Gespräch genommen hat. Diesmal - genau wie beim letzten Mal, als ich Denny im Park getroffen habe - habe ich einfach nicht die Oberhand, ganz egal was ich mache. Er tut immer so, als würde er mich kennen, und das beunruhigt mich so, dass ich nicht mal mehr genießen kann, wie süß er ist. Am allermeisten nervt mich, dass er offensichtlich denkt, ich wäre eine drollige, nicht gerade gut erzogene Amerikanerin! Ha! Dabei trifft genau das auf mich ja nun am allerwenigsten zu, und zwar von allen Leuten aus unserem gesamten Programm!
Während Denny sich eine Blaubeere nach der anderen in den Mund steckt, winkt er uns schelmisch hinterher. »Au revoir, mon Américaine!«, ruft er, während wir uns entfernen.
Ich zerre die Kids durch den Park und dann den Bürgersteig entlang. Sie folgen mir nur unter lautstarkem Protest, weil ihnen klar ist, dass wir auf dem Weg zu Spritzen und Schmerzen sind.
»So, jetzt ist es aber mal gut!«,
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