Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
sage ich wütend und schiebe mich mit ihnen durch die gläserne Eingangstür ins Innere. »In fünf Minuten ist es vorbei. Danach holen wir uns ein Eis, fahren mit der Metro nach Hause und hoffen, dass wir den sonderbaren Blaubeer-Typen nie wiedersehen.« Das sage ich aber natürlich, bevor ich die lange Schlange sehe. Lauter Eltern warten mit ihren Kindern darauf, zu dem Arzt vorgelassen zu werden, der die Impfung durchführt. Offenbar handelt es sich nicht nur um Saint-Ignace-Kids, die mit dem Kind, das in der Schweiz war, unter Umständen Kontakt hatten, sondern auch um alle anderen Kinder, die jemals mit ihm auf dem Spielplatz waren und im selben Gebäude leben.
Ungefähr vierzig Kids stehen vor uns an und jedes hat genauso panische Angst vor der Spritze.
»Oh - mein - Gott.« Ich blicke mich suchend um. Ob hier vielleicht irgendwo eine Krankenschwester herumrennt, mit der ich reden kann? Ich muss unbedingt einen Deal aushandeln, dass wir uns vordrängeln können. Ich schaue in meine Geldbörse. Wie vermutet, steckt dort noch immer der Zehn- Euro-Schein für das Eis. Hätte ich mehr, könnte ich vielleicht irgendjemandem zwanzig Mäuse zustecken und diese wahnsinnige Warterei überspringen. Aber jemandem nur zehn zuzustecken - da wäre derjenige sicher so beleidigt, dass er mich mit der Spritze malträtieren würde.
Es dauert eine Ewigkeit, bis wir an die Spitze der Schlange gelangen. Die ganze Prozedur zieht sich dann noch länger hin, weil mich diese blöde Krankenschwester fragt, wie alt Albert und Emeline sind.
»Na ja, Sie wissen schon«, antworte ich. »Im Schulalter. Sie gehen zur Schule.«
Die Krankenschwester hält im Ausfüllen des Aufnahmeformulars inne und fragt mich in einem unnötig vernichtenden Tonfall, ob ich wirklich keine Ahnung hätte, wie alt meine Schützlinge seien.
»Fragen Sie sie doch selbst, wenn's Ihnen so wichtig ist«, entgegne ich und gebe den beiden Kids einen Schubs nach vorne. Sie halten die Finger hoch, um zu zeigen, wie alt sie sind, und ich lerne, dass Albert sieben und Emeline fünf ist.
Gut zu wissen.
Zum Glück ist der Arzt Profi und sticht Emeline und Albert so schnell, dass der ganze Spuk vorbei ist, ehe sie es richtig mitbekommen haben.
Ich scheuche die Kinder aus der Klinik und habe nur noch ein Ziel: Metro, Apartment und auf der Couch vor dem Fernseher zusammenbrechen.
»Alexandra?«, jammert die kleine Emeline, während ich sie mit ihrem Bruder hinter mir herziehe. »Hast du nicht gesagt, dass wir nach den Spritzen was Süßes kriegen?«
»Ähm, ja«, sage ich. »Aber wir müssen es uns im Sechsten holen. Die Gegend hier mag ich nicht besonders, okay?«
»Aber Alexandra ...« Sie heult los.
»Ach, jetzt hör auf, Kind«, schelte ich sie. »Es dauert nur zehn Minuten, bis wir wieder bei euch sind. Beruhig dich.«
Die Metro-Station ist schon in Sichtweite, als mir aus heiterem Himmel wieder dasselbe Gesicht auflauert, das mir mittlerweile so unerträglich bekannt ist. Ich verschränke die Arme vor der Brust und hebe mein Kinn, um älter auszusehen.
»Alexandra«, sagt Denny zu mir und läuft dann ganz selbstverständlich im Gleichschritt neben uns her, so als hätten wir uns verabredet. »Warum wolltest du eigentlich nicht, dass ich deinen schönen Namen erfahre?«
»Woher weißt du überhaupt, wie ich heiße?«
»Weil deine Kleine«, lacht Denny, »dich gerade Alexandra genannt hat.«
»Gute Arbeit, Herr Detektiv.« Ich verdrehe die Augen und schaue an ihm vorbei, als gäbe es viel wichtigere Dinge, an die ich denken müsste als an meine vielen Verehrer. Dieser Typ versteht echt nicht mal einen Wink mit dem Zaunpfahl. »Können wir dann jetzt nach Hause gehen?«
»Alexandra -«
»Alex«, unterbreche ich ihn. »Kein Mensch sagt Alexandra zu mir.« Ich weiß nicht genau, warum ich überhaupt das Bedürfnis habe, ihm diese persönliche Information preiszugeben, aber es stimmt. Nur Emeline kann sich meinen Namen nicht richtig merken.
»Alex«, sagt Denny. »Bitte, ich muss dich unbedingt näher kennenlernen. Vielleicht bist du meine Traumfrau ... schön, frech, toll im Umgang mit Kindern ...«
»Ich kann gar nicht toll mit Kindern umgehen«, knurre ich. Ich setze meine Sonnenbrille von Gucci auf, auch wenn die Sonne gar nicht scheint, aber so sehe ich einfach eleganter aus. »Was zeigt, was für einen tollen Start wir haben - du hast ein völlig falsches Bild von mir. Wer sagt, dass ich frech bin? Außerdem weiß ich echt nicht, warum ein
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