Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt
außerordentlicher Wichtigkeit. Es kann nämlich das Energiespektrum der Gammastrahlung viel genauer vermessen als seine Vorgänger. Insbesondere muß der Grad der Isotropie der Strahlung genau bestimmt werden. Räumliche Intensitätsschwankungen sollten nämlich in einem rein diffusen Emissionsmodell anders aussehen als in den sogenannten Superpositionsmodellen. Auch könnte man durch die Beobachtung einzelner Galaxien den Anteil unaufgelöster diskreter Quellen besser abschätzen und feststellen, ob es nach Abzug solcher Anteile noch einen wirklich diffusen Rest gibt, der möglicherweise die spektrale Verteilung zeigt, die man für das Antimaterie-Zerstrahlungsmodell erwartet. In dieser Hinsicht hatte bereits das freifliegende Einstein-Observatorium (HEAO 2 - High Energy Astronomical Observatory), das 1978 gestartet worden war, Anfang der 90er Jahre ein spektakuläres Ergebnis gebracht: Unweit des galaktischen Zentrums - etwa 350 Lichtjahre entfernt - war nämlich mit dem Satelliten eine 511 keV-Emission entdeckt worden. Die Röntgenquelle war bereits seit dem Jahre 1970 bekannt, nicht aber ihr Spektrum. Gammastrahlung der Energie 511 keV ist ein sicherer Hinweis für Zerstrahlungsvorgänge beim Zusammentreffen von Positronen und Elektronen. Die beste Erklärung besteht in der Annahme, daß es eine „Antimaterie- Fabrik“ unweit des Milchstraßenzentrums gibt, die in großer Zahl Positronen produziert. Beim Zusammentreffen der Positronen mit den Elektronen einer benachbarten dichten Wolke interstellarer Materie kommt es dann zur Zerstrahlung und dadurch zur Emission der 511 keV-Gammastrahlung.
Wie funktioniert diese Positronen-Fabrik? Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine extrem heiße „Gammastrahlen-Suppe“, die so dicht ist, daß jedes der extrem energiereichen Photonen mit einem anderen kollidiert, noch bevor es entweichen und von der Erde aus empfangen werden kann. Die dabei entstehenden Elektronen-Positronen-Paare erzeugen dann - bei ihrer Annihilation - die beobachtete Gammastrahlung der typischen Energie von 511 keV. Das soeben beschriebene Szenario gestattet es, die Dimension des
Abb. 14: Die unweit des galaktischen Zentrums 1997 entdeckte Antimateriewolke, die sich durch ihre Röntgenstrahlung der Energie 511 keV verriet. (Aus: Sky & Telescope, Juli 1997, S. 17)
Annihilators abzuschätzen: Er dürfte etwa 100 km Durchmesser aufweisen - extrem wenig, bezogen auf die Maßstäbe des Sternsystems. Ein heißes gammastrahlendes Plasma dieser Größenordnung erwartet man nach der Theorie in der Nähe eines Schwarzen Loches, also eines optisch nicht mehr sichtbaren superdichten Sterns, dessen Gravitation so gewaltig ist, daß keinerlei elektromagnetische Wellen dieses Objekt mehr verlassen können. Ein dort emittiertes Photon würde im Gravitationsfeld des Objektes sofort wieder auf dessen Oberfläche zurückfallen.
Die Entdeckung einer Antimaterie-Fabrik unweit des galaktischen Zentrums ist also weniger ein Beitrag zur Entdeckung von „Antiweiten“ - Sternen aus Antimaterie zum Beispiel -, sondern eher ein Hinweis auf die Existenz superdichter Objekte unweit des Milchstraßenzentrums. Die beobachtete Annihilations-Strahlung stellt lediglich ein Indiz für Prozesse dar, die sich in der Umgebung eines Schwarzen Loches abspielen und u. a. auch zur paarweisen Bildung von Elektronen und Positronen führen. Die Messungen des Einstein-Satelliten sind neuerdings durch das Compton Observatory bestätigt worden. Denn das GRO hat 1997 ebenfalls eine 4000 Lichtjahre breite Wolke aus Antimaterie entdeckt. Wieder handelt es sich um eine Quelle unweit des Milchstraßenzentrums, und die „Wolke aus Antimaterie“ steigt „wie eine Fontäne aus dem Kern der Milchstraße auf“ -wie es in einem Bericht der Herald Tribüne vom 30. 4. 1997 heißt.
Von Schwarzen Löchern können nach einer Theorie des britischen Theoretikers Stephen W. Hawking durchaus ebenfalls Antiteilchen emittiert werden, obschon man lange Zeit allgemein angenommen hatte, von solchen Objekten könne keinerlei Strahlung nach außen dringen. Des Rätsels Lösung bringt die Quantentheorie, die viele wenig anschauliche und scheinbar widersinnige Effekte zuläßt oder sogar fordert. Die von Werner Heisenberg entdeckte Unschärferelation besagt, daß von einem Teilchen niemals dessen Position und dessen Geschwindigkeit gleichzeitig genau bekannt sein können. Ebenso kann niemals die Stärke eines Feldes und gleichzeitig der
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