Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
hatten darüber spekuliert, wie die chemische ,Ursuppe‘ beschaffen sein müßte, aus der bei geeigneten Nebenbedingungen von Licht, Wärme und Elektrizität einfache Lebensformen entstehen konnten. In den 20er Jahren diskutierten der Biochemiker Alexander I. Oparin und der Physiker John S. Haldano die Frage, wie die Uratmosphäre zusammengesetzt sein müßte, damit die organischen Verbindungen des Lebens entstehen konnten.
Im Jahr 1953, als Watson und Crick die Molekularstruktur von DNS fanden, führten Harold C. Urey und Stanely L. Miller ein erstes Experiment zur Simulation der Uratmosphäre und chemischen ,Ursuppe des Lebens‘ durch. Als Ozean diente brodelndes Wasser in einem Kolben, als Atmosphäre ein von Blitzen durchzucktes Gasgemisch aus Methan, Ammoniak, Wasserstoff und Wasserdampf, aus dem Wasser aufstieg. Durch die Entladungen entstanden aus den Gasen wasserlösliche Verbindungen, die zusammen mit dem Dampf in einem Kühler kondensierten. Wie im Wasserkreislauf der Natur wurden sie in den Ozean zurückgeleitet, in dem sich nach einiger Zeit Aminosäuren ablagerten, wie sie aus Proteinen bekannt waren. Dieser und ähnliche Simulationsansätze hängen natürlich davon ab, ob die Uratmosphäre tatsächlich die vorausgesetzte Zusammensetzung an Gasen hatte, was heute (vgl. Kap. VII.1) keineswegs unumstritten ist. Zudem ist damit die Entstehung der Selbstreplikation noch nicht geklärt.
Eindeutig geklärt ist bisher nur, wie nach dem Watson- Crick-Modell der DNS die Synthese eines komplementären Stranges der Erbinformation (anschaulich als Kopiervorgang beschrieben) funktioniert. Der komplementäre Charakter der Basen ermöglicht den Aufbau eines neuen Strangs, wobei ein bereits vorhandener Strang als Matrize verwendet wird. Die einzelnen Nukleotide lagern sich entlang dem bereits vorhandenen Strang an (also A nur neben T, G nur neben C etc.) und verbinden sich mit ihm. In dem neu gebildeten Strang ergibt sich so eine spezielle Ordnung der Basen: T steht an der Stelle von A im Originalstrang etc. Der neue Strang enthält die gleiche Information wie der ursprüngliche Strang nur in komplementärer Form. Komplementär meint dabei anschaulich das Verhältnis von Gipsabdruck und Original. Im nächsten Schritt der Replikation dient der neu gebildete Strang als Matrize und erzeugt eine Basensequenz, die dem Original entspricht.
Abb. 4: Die Replikation der DNS
Gene als Träger der Erbinformation besitzen also die Fähigkeit zur identischen Reproduktion und unveränderter Weitergabe von Informationen von Generation zu Generation. Wie bei einem technischen Kopiervorgang unterlaufen aber auch der DNS Fehler bei der Replikation. Es werden ab und zu falsche Basen eingebaut. Durch chemische Reparaturmechanismen ist die DNS meistens in der Lage, diese Fehler zu registrieren und durch Einsetzen der richtigen Information in den neu synthetisierten Polynukleotidstrang zu reparieren. Wird ein solcher Fehler nicht korrigiert, spricht man von einer Mutation. In Körperzellen können Mutationen weitreichende Folgen für den gesamten Organismus haben. So kann die Zelle zu unkontrollierter Teilung und damit Wachstum eines Tumors veranlaßt werden. Erinnert sei an heute bekannte äußere Faktoren wie ionisierte Strahlung, Chemikalien oder Viren, die solche gefährlichen Mutationen auslösen können. Andererseits hätte ohne zufällige Mutationen die Evolution der Organismen niemals stattgefunden. Über Generationen und große Zeiträume wurden mutative Zufallsänderungen der Erbinformation selektiert oder optimiert und ermöglichten die Vielfalt der Arten auf der Erde. Selbstreplikation, Mutation und Selektion sind entscheidende Faktoren der biologischen Selbstorganisation der Materie.
Für die präbiotische Evolution werden heute verschiedene Modelle materieller Selbstorganisation diskutiert. {67} Im ..Evolutionsreaktor‘ von Manfred Eigen befinden sich die Makromoleküle wie z.B. Nukleinsäuren, die permanent aufund abgebaut werden. Von außen werden dem Reaktor laufend energiereiche Moleküle zugeführt, um den Aufbau der Nukleinsäuren zu erreichen. Dazu werden autokatalytische Prozesse der Selbstvermehrung angenommen, die Manfred Eigen und Peter Schuster in ihren Modellen der Hyperzyklen beschrieben haben. Mathematisch werden diese Vorgänge als sukzessive Selbstoptimierung eines Molekülsystems beschrieben, die über eine Folge von Selektionszwischenschritten erreicht wird. In Eigens Modell wird für die
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