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Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mainzer
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Stoffwechselvorgängen in lebenden Organismen und kognitiven Zuständen ihrer Gehirne spiegelt daher auch die Vielfalt moderner Forschung und ihrer Vernetzung wider, die selber in ständiger Entwicklung und Veränderung ist. Selbst wenn man den Begriff der Materie auf Masse und Energie im Sinn der modernen Physik einschränkt, dann bleiben (in diesem Sinn) materielle Prozesse nach heutigem Forschungsstand von den Anfängen des Universums bis zu Bewußtseinszuständen menschlicher Gehirne entscheidend beteiligt.
    Gelegentlich wurde vorgeschlagen, im Sinn des traditionellen naturphilosophischen Begriffspaares von Stoff und Form zwischen ,Materie‘ und ,Struktur‘ zu unterscheiden. Neben ,Masse‘ und ,Energie‘ könnten dann andere grundlegende Begriffe der modernen Naturwissenschaft wie z.B. ,Information‘, ,Raum‘, ,Zeit‘ oder Symmetrie‘ auf mathematische Struktureigenschaften zurückgeführt werden. Bei näherer Analyse hängen diese Begriffe aber mehr oder weniger voneinander ab. Man erinnere sich an die relativistische Abhängigkeit der Raum-Zeit von Masse und Gravitation. Die mathematischen Symmetrien von Elementarteilchen oder Molekülen sind zwar unabhängig vom jeweiligen stofflichen Träger definiert. Um aber physikalisch oder chemisch wirksam werden zu können, bedarf es eines jeweiligen materiellen Trägers. Die mathematische Struktur einer Information oder eines Computerprogramms ist zwar unabhängig von einem stofflichen Träger definiert. Um aber als Information oder Programm wirken zu können, bedarf es eines materiellen Trägers – sei es in den Genen einer Zelle, auf biochemischer Grundlage von Gehirnen oder mit den elektronischen Materialien herkömmlicher Computer.
    Auch die aktuelle Diskussion um ,Künstliches Leben‘ verweist nur auf die Möglichkeit, daß es andere Träger von Lebensfunktionen als Nukleinsäuren, Proteine und Lipide geben könnte. Nach Aristoteles beziehen sich begriffliche Unterscheidungen wie ,Stoff und ,Form‘ auf verschiedene Funktionen und Prinzipien der Natur, die aber voneinander abhängen und keine separierte Existenz besitzen. Offenbar ist der Altmeister der Naturphilosophie auch für die moderne Grundlagendiskussion des Materiebegriffs hilfreich.

 
     
VIII. Ausblick: Materie in Technik, Umwelt und Gesellschaft
     
     
    Vom jeweiligen Wissen über die Materie hingen die technischen, ökonomischen und ökologischen Lebensbedingungen der Menschen entscheidend ab. {73} Bereits Platon mahnte in seinem Dialog Kritias den sorgsamen und maßvollen Umgang mit Boden, Wasser und Holz an, um Umweltkatastrophen zu vermeiden. Bis zu Beginn der Industrialisierung deckten Menschen ihre Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung und Heizung durch Wirtschaften mit natürlichen regenerativen Energien. Noch zu Beginn der Neuzeit, im Zeitalter des mechanistischen Weltbildes von Descartes und Huygens, sah der französische Wirtschaftstheoretiker Francois Quesnay die Quelle des Nationalreichtums in Boden und Ackerbau.
    Quesnay prägte erstmals den Begriff des Wirtschaftskreislaufs, den er als Arzt in Analogie zum Blutkreislauf deutete. Die energetische und stoffliche Versorgung dieses Kreislaufs sollte durch die Landwirtschaft als produktiver Kraft des Wirtschaftssystems realisiert werden. Die Bauern hatten also die regenerativen Energien für das Gesamtsystem nutzbar zu machen.
    Gegenüber der reglementierten und determinierten Warenverteilung der Physiokraten setzte Adam Smith auf den freien Markt, der sich selber durch Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen sollte. Neben dem Produktionsfaktor Boden stellte Smith den Produktionsfaktor Arbeit heraus, der von der arbeitsteiligen Handarbeit in den Manufakturen des 18. Jahrhunderts zur Industriearbeit des 19. Jahrhunderts führte. Nun wurde Kapital zum dritten Produktionsfaktor, unter dem man vor allem die Verfügungsmacht über Konsum- und Produktionsgüter verstand. Dazu mußte aber zunächst Energie in Arbeitskraft umgewandelt werden. Im Kapital kristallisierte sich also nicht nur menschliche Arbeitskraft, wie Ricardo und Marx meinten, sondern auch Energie, die der Natur abgezogen wurde.
    Seit Beginn der Industrialisierung verstärkten Maschinen (z.B. Dampfmaschine) die menschliche Arbeitskraft, die in zunehmendem Maß z.B. Kohle verbrauchte. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde daher die Frage aufgeworfen, was passieren würde, wenn die industriellen Gesellschaften weiterhin durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie

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