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Befehl aus dem Jenseits (German Edition)

Befehl aus dem Jenseits (German Edition)

Titel: Befehl aus dem Jenseits (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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sie. Sie wußte nicht, warum sie nackt war, doch sie war entschlossen, so schnell wie möglich etwas dagegen zu tun. So konnte sie sich nirgends sehen lassen ... Ohne lange über die näheren Umstände nachzudenken, begann sie mit der Suche nach Kleinigkeiten, die sie vorübergehend anlegen konnte.
    Im gleichen Augenblick sah sie die Kiste. Myriam strich ihr langes, weiches Haar zurück. Ihre weibliche Neugier war geweckt. Wenn ein Mädchen nackt auf einem Felsplateau steht und nichts außer einer glänzenden Kiste in der näheren Umgebung ist, dann war diese Tatsache an sich schon aufregend genug ...
    Vorsichtig näherte sie sich der Kiste. Sie hatte ein kombiniertes Buchstaben-Zahlen-Schloß mit fünfzehn verschiedenen Stellrädchen. Mit fast traumwandlerischer Sicherheit stellte Myriam die Kombination ein. Es war die gleiche, die in ihrer Todesankündigung gestanden hatte, aber so weit reichte ihr Erinnerungsvermögen nicht.
    Für sie waren Neuigkeiten stets Abenteuer gewesen. Sie besaß die Eigenschaft, alles zu vergessen, was gestern gewesen war. Sie lebte für das Heute. Ohne es zu wissen, kam ihr diese Eigenschaft jetzt zugute.
    Der Deckel der Kiste war schwerer als erwartet. Sie stemmte ihre schlanken, gebräunten Beine gegen die Felswand. Nach zwei Versuchen gelang es ihr, den Deckel aufzuwuchten. Sie stieß einen kleinen Überraschungsschrei aus, als sie sah, was in der Kiste war. Ihre Hände ergriffen das seidig schimmernde Tuch. Sie hielt es gegen die Sonne, vor ihren Körper und dann mit weit ausgestreckten Armen von sich weg.
    Der Overall paßte wie angegossen. Er umhüllte ihre vollendeten Formen, ohne sie einzuengen. Myriam Roos drehte sich und versuchte, ihr Spiegelbild in der Seitenwand der Kiste zu entdecken.
    Doch dann wollte sie mehr wissen. Sie packte den gesamten Kisteninhalt aus. Neben Gefäßen, Werkzeugen und seltsamen Apparaten entdeckte sie eine Rolle Platindraht und ein Funkgerät mit einem Bandadapter und einem Mikrofon. Sie drehte an den Knöpfen, bekam aber nur zusammenhanglose Geräusche aus dem Lautsprecher.
    Und dann blieb ihr Herz eine Sekunde lang stehen. Ganz unten, am Boden der Kiste, lag eine einfache Karte. Mit zitternden Fingern nahm sie den schmalen Plastik-Streifen auf. Sie biß sich auf die Lippen, während Tränen über ihr Gesicht rannen.
    Diese Gemeinheit! Das Ganze war also nichts als ein böser Streich, den man ihr gespielt hatte. Sie warf die Karte ärgerlich über den Rand des Plateaus.
    Wer auch immer ihr das angetan hatte, sollte es büßen. Sie war stets zu allen Scherzen bereit gewesen, doch diese Geschmacklosigkeit ging zu weit. In ihrer Verzweiflung kam Myriam zwangsläufig zu dem Schluß, daß sie entführt worden war. Nicht, daß sie sich dadurch einschüchtern ließ. Es war nicht das erste Mal. Aber an ihrem dreißigsten Geburtstag, und dann auch noch mit einer ironischen Glückwunschkarte in der Kiste – das war zuviel!
    Wütend warf sie alles, was sie in der Kiste gefunden hatte, über den Rand des Plateaus. Sie dachte nicht daran, sich ihren Entführern unterzuordnen!
    Schalen, Töpfe, Platindraht und Funkgerät flogen in hohem Bogen in den Abgrund. Zum Schluß wuchtete sie auch noch die schwere Kiste hinterher. Mit zornig zusammengepreßten Lippen lauschte sie auf das Poltern der Kiste. Erst als es so leise geworden war, daß sie es nicht mehr hören konnte, ließ sie sich am Rand der Felsplatte nieder. Sie stützte den Kopf in die Arme und blickte über das weite Land.
    Ihr Oberkörper zuckte unter leisen Schluchzern. Sie wollte, daß man ihr ansah, wie sehr sie gelitten hatte, wenn sie abgeholt wurde. Nicht eine Sekunde zweifelte sie daran, daß sie bereits gesucht wurde. Ein Mädchen wie sie konnte nicht einfach verschwinden.
    Nur langsam erkannte sie, daß etwas anders war. Ihr Selbstbewußtsein hatte ihr einen fatalen Streich gespielt. Sie hatte sich von ihren Gefühlen hinreißen lassen, ohne vorher ein paar Minuten nachzudenken.
    Ihr Entsetzen verstärkte sich, als sie feststellte, daß alles um sie herum absolut still blieb. Und auch in ihr selbst blieb es still. So sehr sie sich auch bemühte, Einzelheiten ihrer Erinnerung zu aktivieren – es war nichts mehr da.
    Aus den Tiefen ihres Geistes dämmerte die Erkenntnis, daß sie sich geirrt hatte. Das hier war keine schlichte Entführung, kein besonderer Gag zu ihrem dreißigsten Geburtstag ... Mehr noch: Je länger sie über sich nachdachte, um so dunkler und verworrener wurde alles. In diesem

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