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Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Titel: Grappa 11 - Grappa und das große Rennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Prolog: Ein Bengel auf Abwegen
    Der Schlamassel begann an der Brunnenstraße. Das war an einem jener beißend kalten Winterabende, gegen 23 Uhr. Der Kandidat hatte die letzten drei Stunden bei einer Jubilarehrung seiner Partei im Norden der Stadt verbracht, hatte verdienten Genossinnen und Genossen die Hände geschüttelt und das eine oder andere warme Wort gesprochen – über Parteisolidarität, politische Treue und andere sozialdemokratische Tugenden.
    Der älteste Jubilar an diesem Abend hatte es immerhin sechzig Jahre in dieser Partei ausgehalten und mit ihr Stürme der deutschen Geschichte durchgestanden.
    Den Kandidaten war Rührung überkommen. Sein Charakter hatte nämlich auch eine ausgesprochen sentimentale Seite. So hatten ihn die wässrigen Greisenaugen der Geehrten beeindruckt, die schlaffen Wangen der Schriftführerin des Ortsvereins gerührt, er war ergriffen worden vom dumpfen Gesang des Männerchores der Arbeiterwohlfahrt. Am Ende hatte sich sogar der Parteichef auf die Bühne begeben. Dessen heimliche Leidenschaft galt der Musik – er ließ es sich nicht nehmen, wichtigen parteipolitischen Ereignissen seinen eigenen, persönlichen Stempel aufzudrücken. Der Akkordeonspieler, der sich zuvor an urdeutschem Liedgut versucht hatte, präsentierte nun eine kessere Musik: »La paloma blanca« – die weiße Taube –, hingebungsvoll interpretiert von Paul Manthey, dem Vorsitzenden des SPD-Bezirks. Oft frönte er dem Karaoke-Gesang – und auch an diesem Abend hatte er seine eigene Stimme erschallen lassen: einen matten Bariton mit ziemlich vielen stumpfen Stellen.
    Willi Junghans hatte nach Ende der Veranstaltung in der Kälte des Abends aufgeatmet. Als er den Schlüssel in die Tür seines BMW steckte, überfiel ihn ein plötzliches Kribbeln in der Lendengegend. Da ihm dieses Gefühl nicht ganz unbekannt war, wusste er auch, wie er seine dubiose Unrast in ein wohliges Gefühl der Entspannung würde verwandeln können.
    Willi Junghans beschloss, einen Umweg über die Brunnenstraße zu machen. Und hier – wie gesagt – begann der Schlamassel.
    Manuela war eine gut aussehende Frau von knapp dreißig. Na ja, der Drogenkonsum ließ sie ein wenig älter erscheinen, die Falten auf der Stirn hätten durch einen normaleren Alltag sicher abgemildert werden können, doch keiner ihrer Kunden achtete auf ein glattes Gesicht. Denen ging es um die schnelle Nummer. Meistens oral, seltener vaginal, denn das kostete. Vor allem Zeit.
    Manuela registrierte, wie sich der dunkelblaue Wagen langsam näherte, fast schien er zu zögern, dann hielt er doch.
    Sie schaute auf die Uhr. Eigentlich Feierabend. Aber der Tag war schlecht gewesen, das Geschäft lief in den letzten Wochen überhaupt nicht gut. Das lag an der Kälte.
    Den einen noch, dachte sie. Sie schaute an sich herunter, öffnete den Wollmantel, so dass der Kunde sehen konnte, was er für seine Kröten bekommen würde. Sie trat zu der dunklen Limousine hin.
    Der Kandidat sah Manuelas Beine, die schwarzen Strapse und die knappe schwarze Nappalederhose.
    »Hallo, Süßer!«, schnurrte sie. »Lust auf ein kleines Stößchen oder willst du's französisch?« Ihre Stimme klang nicht begeistert, ließ jenen Unterton vermissen, den gute Verkäufer drauf haben, die jemandem etwas schmackhaft machen wollen, was der eigentlich gar nicht will.
    Apropos schmackhaft. Manuela erinnerte sich an den Mann im Auto, der wollte es oral. Mit Stößchen war da nichts, der stand nicht auf Nummern, die die Fünf-Minuten-Schallgrenze überschritten. Zu viel Aufhebens. Ihr fiel wieder ein, dass der Mann mal schelmisch angemerkt hatte, dass er sehr bekannt in der Stadt sei, sozusagen ihr mächtigster Mann und so.
    Solche Sprüche hatten für Manuela die gleiche Bedeutung, als wenn in China der berühmte Sack Reis platzt. Sie hatte ihm einen geblasen und das war's.
    »Siebzig Eier«, sagte sie knapp.
    »Fünfzig«, sagte er noch knapper.
    »Na ja, weil du's bist.«
    Sie stieg ein. Wenigstens war es warm in der Karre.
    »Mach den Reißverschluss auf«, forderte sie und begann die Lippen zu schürzen. Verdammt, bei der Kälte fror aber wirklich alles ein.
    »Nicht hier«, meinte er. Der Wagen fuhr an, bewegte sich leise auf die Fahrbahn, dann gab er Gas.
    »Fass den Bengel doch schon mal an.« Die Stimme des Kandidaten war plötzlich heiser. Die Vorfreude hatte den Platz zwischen seinen Beinen erheblich verengt.
    Manuela öffnete den Reißverschluss, dann tastete ihre Hand nach dem, was er

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