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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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24 zum Teil schwer Verletzte zu beklagen. Die Ursachen werden noch untersucht. Eine Kommission von Sachverständigen ist auf dem Weg nach Tiflis …«
    Agnes Wolter hatte zugehört, ohne sich zu rühren. Wie erstarrt saß sie da, die Tasse mit Kaffee, die sie gerade an den Mund führen wollte, in der Hand. Dann aber, mit dem letzten Wort des Nachrichtensprechers, fiel die Tasse aus ihrer Hand und zerschellte auf dem Boden. Der Kaffee spritzte über den Teppich und über die Strümpfe Agnes Wolters.
    »Bettina …«, stammelte sie. »Mein Gott, es wird doch nicht Bettina sein … Sie ist in Indien … wenn es die Maschine aus Indien ist … die Maschine … die Maschine … O Gott, mein Gott …«
    Agnes Wolter konnte kaum die Hände falten. Aber dann löste sich ihre Erstarrung so plötzlich, wie sie von ihr überfallen worden war. Sie sprang auf und rannte, den Tisch zur Seite stoßend, zum Telefon. Aus dem Radio kam wieder flotte Musik, Schlager, Filmchansons … sie hörte überhaupt nichts mehr, sie drehte mit zitternden Fingern die Nummer der Fluggesellschaft in Hamburg und wartete, bis sich jemand meldete, mit dem Kopf an der Wand, mit geschlossenen Augen.
    »Wolter … hier Wolter, Agnes Wolter, die Mutter von Bettina Wolter. Stewardeß bei Ihnen. Indienstrecke. Haben Sie das eben im Radio gehört? Haben Sie schon nähere Angaben? Ist … ist meine Tochter … ich bitte Sie, sagen Sie mir etwas …«
    Und die Stimme in Hamburg sagte nüchtern: »Einen Augenblick, ich verbinde Sie mit der Direktion.«
    »Meine Tochter …«, stammelte Agnes Wolter, als sich einer der Direktoren meldete. »Der Absturz in Tiflis … ist meine Tochter … bitte!« Alle Kraft verließ sie, sie lehnte sich gegen die Wand und warf den Kopf zurück und schnappte nach Luft. »Sagen Sie doch etwas!« schrie sie in höchster Qual.
    »Wir können noch gar nichts sagen, Frau Wolter.« Die Stimme aus Hamburg klang gepreßt. »Wir erwarten selbst noch genaue Meldungen. Aber soviel scheint sicher, daß Ihre Tochter nicht dabei ist.«
    »Nicht? War es denn ihr Flugzeug? War es die Maschine aus Karatschi?«
    »Bitte, rufen Sie in einer Stunde noch einmal an.«
    Klick. Tot die Leitung. Tot wie Bettina …?
    Frau Wolter drückte die Gabel hinunter. Rufzeichen. Neue Nummer. Bonn. Das Bundesverteidigungsministerium. Die Anmeldung. »Oberleutnant Wolter. Abteilung IIIc/A? Einen Augenblick.« Und dann die Stimme von Wolfgang.
    »Was ist, Mama?«
    »Bettina … Junge, hast du gehört. Eben im Radio? Eine Maschine der DBOA! Kann es Bettinas Maschine sein? O Gott, Wolf, Junge, hilf mir, ich werde verrückt! Kann es Bettina sein? Kannst du das feststellen lassen? Keiner hilft mir. In Hamburg weichen sie aus … Junge, ich werde verrückt. Wenn es Bettina ist …« Agnes Wolter sank auf einen Stuhl neben dem Tisch. Ihr Kopf fiel auf die Kante, sie weinte.
    »Mama, sei ganz ruhig.« Die Stimme Wolfgangs klang beschwörend. »Mama, reg dich nicht auf. Ich werde, so gut ich es von hier aus kann, sofort Erkundigungen einziehen. Wo ist die Maschine abgestürzt?«
    »In Tiflis«, weinte Agnes Wolter.
    »In Tiflis?« Die Stimme Wolfgangs schien viel ruhiger zu sein. »Wirklich Tiflis?«
    »Ja, mein Junge.«
    »Dann ist es nie und nimmer Betti! Sei ganz ruhig, Mama. Bettis Linie fliegt nie und nimmer Tiflis an! Tiflis liegt doch in Rußland, Mama. Da fliegen wir gar nicht hin. Das muß ein Irrtum sein! Reg dich nicht mehr auf, Mama.«
    Klick. Tot die Leitung.
    »Es ist kein Irrtum!« schrie Agnes Wolter und schüttelte verzweifelt den Hörer in ihrer Hand. »Junge! Höre doch! Eine Maschine der DBOA! Abgestürzt …«
    Sie ließ den Hörer vom Tisch pendeln und lief in den Laden. Was soll ich jetzt tun, sagte sie sich immer wieder. Was soll ich tun? Schreien? Weglaufen zu den Nachbarn? Ganz ruhig sein und warten. Aber das macht mich wahnsinnig! Das halte ich nicht aus! Das kann keiner, keiner von mir verlangen.
    Und dann saß sie doch allein, klein und grau im Hinterzimmer ihres Ladens, hatte die Hände hilflos im Schoß gefaltet und sah aus dem Fenster hinaus in den schmutzigen Hinterhof mit den Mülltonnen.
    »Bettina«, sagte sie. »Meine kleine Bettina …«
    Und die Tränen rannen ihr lautlos über die kleinen Runzeln in den halboffenen Mund.
    *
    19. Mai, abends 20 Uhr 19 Minuten.
    Oberst Jassenskij hatte sich bei General Oronitse melden lassen und brachte einen Stapel Papiere mit. Glänzender Laune war er, und seine abstehenden Ohren leuchteten rot wie bei

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