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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Prolog
     
    Die Frau saß vor dem Eingang
einer Höhle. Er hatte sie bereits von weitem gesehen, denn sobald der Mond
hinter den Wolken verschwand, war ihr Lagerfeuer das einzige Licht in der
tiefschwarzen Nacht. Sie musste sein Kommen bemerkt haben, hatte sich aber
nicht in die Höhle zurückgezogen. Ihr Gesicht war den brennenden Holzscheiten
zugewandt.
    „Sei gegrüßt“,
sagte er in der Sprache der Kelten und sprang vom Pferd. Im Feuerschein sah er
die Zeichen auf ihrer Stirn, die mit den Flammen zu tanzen schienen. Sonst
bewegte sich nichts an ihr, und seinen Gruß schien sie nicht zu hören. „Ich bin
Krok, der Stammesführer der Behaimen.“ Trotz der nächtlichen Kühle nahm er
seinen Umhang ab. Sie sollte an den Tätowierungen auf seinen Armen erkennen,
dass sie Verbündete waren. Wenn er in von Christen besiedelte Gebiete reiste,
ließ Krok die Symbole stets bedeckt, um keine Furcht oder Feindseligkeit
heraufzubeschwören. Doch hier, am Berg der Göttin, war der rechte Ort, sie mit
Stolz zu zeigen. Er setzte sich unaufgefordert ans Feuer. „Ich weiß, es ist
Männern untersagt, hierher zu kommen.“
    Sie hob den
Kopf, ein erstes Zeichen, dass sie lebendig war und keine Steinstatue. Ihr
Gesicht glich dem eines Wiesels, spitz und forsch. „Warum kommst du dann?“
    „Weil es
wichtig ist. Wie gesagt, ich bin …“
    „Ich weiß, wer
du bist. Gibt dein Rang dir das Recht, die alten Regeln zu brechen?“
    „Ich will keine Regeln brechen, sondern bitte dich,
sie meinetwegen einmal zu missachten. Höre mich an, denn meine Lage ist ernst,
und ich brauche deinen Rat.“
    „Hast du keinen
anderen Ratgeber, Stammesführer der Behaimen? Gibt es unter euren Leuten keine
Weisen?“
    „Es gibt niemanden, der mich besser beraten könnte
als du. Meine Schwester Scharka ist schon oft zu dir gekommen. Du kannst dich
sicher an sie erinnern.“
    „Zu mir kommen
viele Frauen aus vielen Völkern. Wir verehren alle dieselbe Göttin, ganz
gleich, ob wir sie Rigani, Freya oder Mokosch nennen.“
    „Meine
Schwester war die Fürstin unseres Stammes, der Tschechen, außerdem Hohe
Priesterin aller Stämme der Behaimen. Das musst du gewusst haben.“
    Sie musterte
ihn nachsichtig, wie eine gutmütige Mutter ihr vorlautes Kind. „Natürlich
wusste ich das, Krok. Und ich weiß auch, dass sie heute Morgen gestorben ist.
Bist du aus diesem Grund zu mir gekommen?“
    Er war
versucht, zu fragen, wer ihr von Scharkas unerwartetem Tod erzählt hatte,
besann sich dann aber eines Besseren. Die Keltin könnte meinen, er wollte ihre
seherischen Fähigkeiten in Frage stellen. Natürlich konnte sie es von einer
Frau aus seinem Volk erfahren haben, die an diesem Tag zufällig bei der Seherin
gewesen war, doch viele Jahre des Verhandelns mit Stammesoberhäuptern und
Königen hatten Krok gelehrt, dass man die Begabung anderer Menschen niemals
unnötig anzweifeln sollte.
    „Ja, das ist
der Grund meines Besuches. Ich brauche deinen Rat.“
    Die Keltin zog
ihre buschigen Brauen zusammen. Ihr Wieselgesicht betrachtete ihn misstrauisch,
aber nicht ohne Neugierde.
    „Wie du weißt,
sind die Behaimen den alten Traditionen treu geblieben. Besitz und Stellung im
Clan gehen von der Mutter auf die Töchter oder auch auf die Söhne über, wenn es
sich um Aufgaben handelt, die Männern zufallen. Der Fürstenclan der Tschechen
führt unser Volk seit der Zeit des großen Samo, dem es gelang, die Stämme zu
einen und uns vom Joch der Awaren zu befreien. Die erste Hohe Priesterin
unseres Volkes war bereits eine Fürstin der Tschechen, ihr Bruder der Anführer
aller Stämme unseres Volkes. Ich selbst bin Stammesführer geworden, weil eine
Tschechen-Fürstin mich gebar und die fürstlichen Clans der übrigen Stämme
meiner Ernennung zustimmten. Es ist meine Aufgabe, mit unseren Freunden und Feinden
zu verhandeln, damit mein Volk in Frieden leben kann, oder auch einen Krieg
anzuführen, falls dieser notwendig ist. Doch in allen anderen Fragen, die unser
Wohl und Wehe betreffen, soll eine Frau die große Göttin auf Erden vertreten
und Entscheidungen treffen.“
    Er ging davon aus, dass seine Rede der Keltin
gefallen würde. Auch unter ihren Leuten hatten Römer und andere Eindringlinge
bereits dafür gesorgt, dass Männer begannen, alle Macht für sich zu
beanspruchen. Sie selbst besaß nur noch den Einfluss einer Priesterin, der
allerdings beträchtlich war, da man ihre Klugheit schätzte.
    „Die Zeiten
sind nicht einfach“, fuhr Krok nach einer kurzen

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