Begrabene Hunde schlafen nicht
endgültig abgeschrieben hat. Du warst für sie
so sehr gestorben, daß sie in Aftenposten eine Todesanzeige
aufgab.«
Sie holte heftig Atem und öffnete den Mund, um etwas zu
sagen, riß sich dann aber zusammen.
»Und ich weiß auch, daß du von deinem ersten Mann etwas
geerbt hast.«
»Was du nicht sagst!« versetzte sie mit angespannter Stimme.
»Und dabei denke ich nicht an sein Vermögen. Ich denke an
ein Foto.«
Sie änderte die Haltung, versuchte sich hinter einer Maske
scheinbarer Gleichgültigkeit zu verstecken.
»Ich weiß nicht, ob du weißt, was dieses Foto eigentlich
darstellt, was es beinhaltet …«
Ich hielt inne, aber sie reagierte nicht.
»Eines ist jedenfalls klar, und das mußt du gewußt haben. Dein
Mann – dein erster Mann – wurde wegen dieses Fotos erpreßt.
Es ging um so hohe Summen, denke ich, und um so brenzlige
Geschichten, daß die Sache tödlich ausging – für den Erpresser.«
»Ach ja?«
»Und das war wahrscheinlich das Ende der Erpressung, erst
einmal. Aber dann, als Axel Haugers finanzielle Situation immer schlechter wurde, im Zusammenhang mit der generellen
Talfahrt der schwedischen Wirtschaft, kamst du plötzlich auf die
Idee, daß du vielleicht helfen könntest. Wenn er da nicht schon
selbst von der Sache wußte. Das spielt keine Rolle. Wichtiger
ist, daß ihr die Erpressung wiederaufnahmt oder von neuem
anfingt, um es korrekt auszudrücken. Und zwar hattet ihr eine
wichtige und sehr zahlungsfähige Persönlichkeit im Auge. Preben Backer-Steenberg. Und es endete ebenso tödlich wie beim
letztenmal.«
»Ebenso … Was meinst du?«
»Backer-Steenberg starb doch, nicht wahr?«
»Dooch …«
»Hast du vergessen, daß ich da drinnen unter dem Bett gelegen
und mitgehört habe, worüber du mit deinem Mann sprachst?«
»Über …«
»Daß ihm etwas passieren könnte, beim Oslo-Marathon. Und
das trat ein.«
Jetzt hatte ich sie in die Enge getrieben. »Aber – das kann
niemand beweisen!«
»Ach nein?«
»Nein! Vergiß nicht, daß Axel auch Chemiebetriebe in seinem
Konzern hatte, mit großen Aufträgen fürs Militär.«
»Willst du damit andeuten, daß er ein Gift benutzt hat, das
nicht nachzuweisen ist?«
Sie riß sich wieder zusammen. »Ich will gar nichts andeuten!«
»Aber das war nicht der einzige Tote.«
»Ach nein?«
»Svein Grorud ist auch tot, stimmt’s?«
»Kann schon sein.«
»Es stimmt! Du hast die Zeitungen gesehen, oder?«
»Man soll nicht immer …«
»Und dein Mann.«
»Axel? Was ist mit ihm?«
»Du hattest ihn erwartet, stimmt’s? Was denkst du, warum er
noch nicht da ist?« Ich sah auf die Uhr. »Der Zug ist vor fast
einer Stunde angekommen.«
»Axel? Aber ich …«
Jetzt hatte ich sie. Sie starrte mich mit einer ganz anderen
Aufmerksamkeit an als zuvor.
»Es tut mir leid, Merete. Aber er kommt nicht.«
»Kommt nicht? Warum nicht?«
»Weil er tot ist.«
Sie kippte nach vorn, als würde sie bewußtlos.
Ich trat vor, um sie zu halten, aber sie entzog sich und gab mir
mit einer abweisenden Bewegung zu verstehen, daß sie auf
meine Hilfe verzichten konnte.
»Ermordet im Nachtzug von Örebro, allem Anschein nach
vom selben Mann, der auch Svein Grorud und – noch jemanden
umgebracht hat.«
Sie murmelte monoton: »Noch jemanden? Sind da noch
mehr?«
»Die Witwe des ersten Erpressers. Sie kam in den Strudel und
darin um, wie es bei solchen Fällen so oft passiert.«
Es wurde still. Ich behielt sie im Auge. Sie brach nicht zusammen. Sie begann nicht zu weinen. Es wirkte eher, als sei sie in
einer Art Schockzustand und verstünde nicht ganz, was eigentlich geschehen war.
»Du weißt, von wem ich rede? Wer der Mörder ist?«
Sie reagierte nicht.
»P. E. Jansson.«
Sie sah zu mir auf, als ginge ihr erst jetzt auf, wer ich war.
»P. E. …«
»Dein erster Mann hatte in den frühen achtziger Jahren Kontakte zu ihm, aber ich weiß nicht, wie weit er dich in – diese
Geschichten eingeweiht hat.«
»Ich weiß – wer er ist.«
Ich gab meiner Stimme einen freundlichen Klang. »Wenn ich
du wäre, würde ich die Polizei anrufen und um Schutz bitten.
Wenn es das nächste Mal an der Tür klingelt, könnte es zwar die
Polizei sein, die dir die Nachricht vom Tod deines Mannes
überbringt, aber es könnte ebensogut Jansson sein.«
»H-h-hier?«
»Ist dir das noch nicht aufgefallen? Ihr wart drei Spieler auf
eurer Seite des Tisches. Svein Grorud ist tot, dein Mann ist tot.
Jetzt bist nur noch du übrig.«
»Nicht – ich.«
»Was?!«
»Er hat mich nie
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