Behandlungsfehler
nicht. Andererseits nehmen sie grobe Fahrlässigkeit aber an, wenn Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgenutzt wurden, die auf der Hand lagen, und die erforderlichen Informationen ohne größere Mühe hätten beschafft werden können. Ab wann diese grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist, die die Verjährungsfrist in Gang setzt, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und schwer vorherzusagen.
Im Fall von Frau Bauer war zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorlag oder nicht, ein Gutachten erforderlich.
Musste Frau Bauer schicksalhaft die Verletzung des Gallengangs mit den Folgen hinnehmen? War es zu der Läsion des Gallengangs ohne oder durch einen Behandlungsfehler gekommen? Beides ist möglich. Und dass Frau Bauer bisher kein derartiges Gutachten eingeholt hatte, konnte sicher nicht als grobe Fahrlässigkeit bewertet werden. Insofern konnten wir uns erst einmal ein wenig zurücklehnen, da die Zeit nicht drängte.
Einfach sind die Fälle zu beurteilen, bei denen während einer Operation die Zange im Bauch des Patienten zurückgelassen wird. Dass das nicht vorkommen darf, ist klar. Dafür braucht niemand ein Gutachten. In derartigen Fällen beginnt die Verjährung dann, wenn der Patient weiß, dass die Zange in seinem Bauch zurückgelassen wurde.
Als Faustregel kann formuliert werden, dass die Klärung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt oder nicht, nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte. Es besteht das Risiko, dass das Zuwarten auch dann, wenn man noch nichts Genaueres weiß, als grobe Fahrlässigkeit bewertet wird, was den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist in Gang setzt.
Wie die Verjährung gehemmt werden kann
Wenn die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Verjährung gehemmt wird. Das ist, als wenn die Zeit stillstünde. Das ist während der Verhandlungen mit dem Gegner über den Schadenersatzanspruch der Fall. Auch die Durchführung von Schlichtungsverfahren bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern hält die Zeit an. Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen hemmt die Verjährung ebenfalls, allerdings mit der Einschränkung, dass sie dies nur in dem Umfang tut, in dem Klage erhoben wird. Hier ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, die Ansprüche umfassend gegen die Verjährung zu sichern.
Verzicht auf die Verjährung
Zum Ende eines jeden Jahres fällt dem einen oder anderen Mandanten auf, aber zuweilen auch mir selbst, dass noch bis zum 31.
Dezember dringend etwas getan werden muss, damit er auf jeden Fall sicher sein kann, dass keine Verjährung eintritt, die wie der gezielte Schlag mit dem Hammer auf die Tasse seinen Anspruch kaputtmachen würde.
Damit man in derartigen Fällen nicht unter Zeitdruck gerät, kann der Gegner auf die Verjährung verzichten, was er im Allgemeinen auf Bitte macht. Man mag sich fragen, warum er freiwillig auf diese verzichtet, wenn er doch die Chance wittert, dass der Anspruch zum Jahreswechsel verjährt. Eben weil er weiß, dass der gegnerische Anwalt – auch wenn er Nachtschichten einlegen muss – noch rechtzeitig Klage erheben wird und dies mit Kosten für ihn verbunden wäre.
Kürzlich kamen die Eltern eines dreijährigen Mädchens zu mir. Sie hatte sich bei einem Unfall die Wirbelsäule verletzt. Die notwendigen Röntgenaufnahmen im Krankenhaus wurden angefertigt, ohne dass die Eierstöcke des Kindes gegen die Röntgenstrahlung geschützt wurden. Dass dies ein Behandlungsfehler war, erfuhren die Eltern kurz darauf, als sie dem Kinderarzt davon erzählten. Für die Verjährung von Schadenersatzansprüchen bedeutet das, dass die Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Tochter wussten, dass das Kind falsch behandelt wurde. Sie wussten auch, wer dafür verantwortlich war. Die Verjährung begann damit, zu laufen. Was sie nicht wissen können ist, ob ihre Tochter durch die Strahlenbelastung einen Schaden erleiden wird. Erfahren werden sie das voraussichtlich frühestens mit Beginn der Pubertät, spätestens, wenn das Kind erwachsen ist. Wenn der Schaden sichtbar geworden ist, werden weit mehr als drei Jahre vergangen sein. Ansprüche wären dann verjährt.
Im Falle des bestrahlten Mädchens bestanden zwei Möglichkeiten: Entweder schon jetzt zu klagen, nur um die Verjährung zu unterbrechen, oder aber zu erreichen, dass die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses auf die Verjährung verzichtet. Ich konnte die Haftpflichtversicherung überzeugen, dass ein Verjährungsverzicht
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