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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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innerstädtische
Feten-Angebot zur Jahrtausendwende. Auch das war inbegriffen im Service.
    Zur technischen Ausrüstung der
Berater gehörte die Lautsprecher-Anlage. Gaby hatte sie eingeschaltet, damit
die Jungs mithören konnten. Allerdings war der Lautsprecher eher ein
Leisesprecher, gab nämlich die Anruferstimmen sehr gedämpft wieder — um für den
anderen Berater keinen störenden Hintergrund-Dialog zu erzeugen.
    Gaby horchte. Die Leitung war
offen. Trotzdem Stille. „Hallooooooo! Ist da jemand draußen im Land?“
    Ein Seufzer. Ein zitternder
Atemzug. Dann die Stimme eines Mädchens.
    „Ich... will aber meinen Namen
nicht sagen.“
    „Das ist auch nicht nötig.“
Gaby lächelte weich. „Die wenigsten Anrufer stellen sich vor. Wozu auch? Es
geht doch um Schwierigkeiten — und um die Hilfe, die wir anbieten. Namen müssen
nicht sein.“
    „Wie alt bist du?“, fragte das
Mädchen.
    „Vierzehn.“
    „Ich auch.“
    „Dann kann ich sicherlich
nachfühlen, was dich bedrückt.“
    „Nein. Das glaube ich nicht.“
    „Nein?“ Gaby blickte Tim kurz
an.
    Karl und Klößchen hatten sich
rechts und links an den Schreibtisch gelehnt. Dr. Malparese schniefte so leise
wie möglich in ein Taschentuch und spitzte die Ohren.
    „Bestimmt nicht“, sagte das
Mädchen, „oder hast du einen Bruder — einen älteren Bruder, der... der
Verbrechen begeht?“
    Sie begann zu weinen. Es klang
so entsetzlich trostlos, dass Gaby die Schluchzer wie Nadelstiche spürte.
    Oha!, dachte Tim. Verbrechen?!
Das sprengt die Beratertätigkeit. Das ist eher unser Gebiet. Hoffentlich hält
die Malparese sich raus.
    Gaby hatte geschluckt. „Du
sagst, dein Bruder begeht Verbrechen. Wissen eure Eltern davon?“
    „Wir haben keine Eltern. Sie
leben nicht mehr.“
    „Das tut mir leid.“
    „Sie sind umgekommen bei einem
Flugzeugabsturz.“ Gaby presste die Hände aneinander. „Vielleicht... ist dein
Bruder dadurch abgedriftet.“
    „Nein. Ich glaube, er ist einfach
schlecht. Er jagt dem Geld nach. Er ist schon über 20. Er müsste doch wissen,
was richtig ist. Ganz zufällig habe ich jetzt rausgekriegt, was er macht. Er...
ist Schleuser. Er schmuggelt Menschen ins Land. Er gehört zu einer
Schleuserbande. Er ist ein Weiterverteiler — so heißt das. Wenn diese
armseligen Ausländer erst hier sind, dann übernimmt er die Verteilung über ganz
Deutschland. Außerdem hat er zwei Kumpel. Die sind genauso schlecht. Mit dem
einen ist er jetzt nach Tirol gefahren — in den Urlaub. Sie haben auch dort ein
Verbrechen vor. Aber etwas anderes. Es hat mit Likör zu tun. Der andere Kumpel
ist hier und passt auf mich auf. Ich bin in seiner Wohnung. Und jetzt“, ihr
Weinen wurde heftiger, „weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich kann doch meinen
Bruder nicht verraten. Ich kann nicht zur Polizei gehen. Aber ich halte das
nicht aus.“
    Wahnsinn! Tim lauschte
angestrengt. Da war nicht nur die Stimme des Mädchens. Fern im Hintergrund
waren noch andere Geräusche.
    „Ich verstehe dich“, Gaby
flüsterte fast, als sei das angemessen für dieses düstere Geheimnis. „Aber ich
muss dir unbedingt raten, das nicht einfach laufen zu lassen, sondern noch
heute...“
    Sie hielt inne. Das Mädchen
hatte aufgeschrien. Etwas polterte zu Boden. Schritte.
    „Verdammt!“ Eine Männerstimme.
Abrupt wurde der Hörer aufgelegt. Das klang hart und endgültig, als werde eine
Kerkertür geschlossen für lebenslänglichen Knast.
    „Hallo!“ Gaby rief. Diesmal
hatte das Hallo nur ein o. Die Leitung blieb stumm. Dann setzte das Freizeichen
ein. Nach drei, vier Sekunden drückte Tims Freundin einen Knopf und auch das
Freizeichen verstummte.
    Tim rieb seine Wolfszähne
aufeinander. „SOS! Leute, die Vollwaise ist in Not. Kumpel Nummer zwei hat sie
beim Hilferuf überrascht. Hoffentlich passiert ihr jetzt nichts. Wir müssen sie
finden!“

    „Finden — wäre gut.“ Klößchen
schob sich Schokolade in den Mund. „Aber wie? Sie hat nicht gesagt, wie sie
heißt.“
    „Wir haben das Ende einer
Zündschnur erwischt“, meinte Karl und nahm seine Nickelbrille ab. „Sie brennt
bereits. Kumpel Nummer zwei wertet den Anruf der Vollwaise sicherlich als
Verrat.“
    „Aber er wird ihr nichts tun“,
sagte Gaby rasch, „weil er ihrem Bruder verpflichtet ist.“
    Wunschdenken!, dachte Tim. Ein
Menschenschmuggler ist zu allem fähig, wenn’s um seine picklige Haut geht.
    In diesem Moment nieste Dr.
Malparese mit der Wucht einer Haubitze. Zwei ihrer

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