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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schwafelheinis von der Mattscheibe her. Dort heißen sie
Moderatoren oder auch Plaudertaschen. Und wenn sie an einen Sülzkopf kommen,
der noch mehr Stuss redet — ist es garantiert ein Politiker. Und in solchen
Zeitläufen fehlt dem Silentus Orden natürlich der Nachwuchs. Aber das soll uns
nicht jucken.“
    „Der Schnaps schmeckt. Worauf
willst du hinaus?“
    „Dieses Dorf hier hat seinen
Namen erhalten nach dem Kloster St. Amarusetto. Es liegt 40 Auto-Minuten
entfernt: hoch oben in den Bergen. Nur eine schmale Straße führt hinauf. Die
ist gewunden und zieht sich an Schlünden und Abgründen vorbei. Nicht nur im
Winter ist die Fahrt gefährlich.“
    „Der Schnaps schmeckt mir immer
besser. Ich nehme noch einen. Worauf willst du hinaus, Dieti?“
    Dietmar mochte es nicht, wenn
man ihn Dieti nannte. Aber jetzt beließ er’s dabei.
    Die Kellnerin kam mit Bier und
Schnaps. Dietmar bestellte noch zwei Grüne. Adolf leckte sein Glas aus. Die
Frau lachte. In der Glotze fiel ein Tor und ein dicklicher Mann mit Glatze
schlug wütend die Faust auf den Tisch.
    Dietmar senkte die Stimme zum
Flüstern. „Was ich dir jetzt erzählt habe, Adolf, hat mit unserem Coup zu tun —
mit unserem Millionen-Coup. Du musst den Hintergrund kennen, beziehungsweise
die Historie. Nur so kapiert man, was der Knackpunkt ist. Der liegt nämlich im
Jahre 1605. Damals hat ein französischer Marschall — er hieß Charles Hannibal
Estrebe — dem Silentus Orden wegen irgendeiner Dankbarkeit — oder aus guter
Laune — ein Schriftstück geschenkt, ein Pergament. Es enthielt die sehr
komplizierte Herstellungsmethode einer Mixtur aus 155 Kräutern. Diese Kräuter
wachsen nicht am Wegesrand. Und zu jener Zeit lag ja auch der Import von
Bananen und neuseeländischen Zwergzwiebeln noch in weiter Ferne. Also wurde das
Pergament in die klösterliche Bibliothek gelegt und begann dort zu verrotten — unbeachtet
von den ansonsten lesehungrigen Mönchen. So vergingen 132 Jahre. Dann, im
Sommer 1737, hatte der Mönch aus der Klosterapotheke gerade seinen freien
Nachmittag und setzte sich, ausgerüstet mit einem Zwei-Liter-Krug Wein, in die
Bibliothek. Da im Kloster nicht geredet wurde, störte ihn auch niemand beim
Lesen. Und jenem Mönch, der Maurice hieß, geriet das Pergament in die Hand. Er
war fasziniert. Als Apotheker sah er natürlich, was für ein Rezept das war. Ihn
packte der Ehrgeiz. Fortan sammelte er Sommer für Sommer in den Tiroler Bergen
Kräutlein um Kräutlein. Bis er alle zusammen hatte. Das dauerte 27 Jahre. Dann
begann er zu experimentieren — streng nach der Vorschrift des alten Rezeptes,
von dem niemand weiß, wer es ersonnen hat. Denn der Marschall Estrebe ist nicht
der Erfinder. Maurice würde heutzutage als Barkeeper die Preise für
Cocktail-Neuschöpfungen nur so abräumen. Er war genial. Er mixte und
destillierte den ersten Amarusetto. Vermutlich einen blaugrünen von 71 Prozent,
also saustark — wenn man mal davon ausgeht, dass selbst ein Whisky für
superharte Typen nicht mehr als 43 Prozent haben darf.“
    „Aha!“ Adolf leckte sich die
Lippen.
    „Maurice hatte seinen Ur-Amarusetto
gerade fertig — und alle im Kloster ließen sich voll laufen, was sicherlich
eine Riesenfete war, mit oder ohne Schweigen — , aber schon legte ihm der Tod
die Hand auf die Schulter. Und Maurice segnete das Zeitliche. Doch in seiner
letzten Stunde gab er sein Wissen über die Herstellung an einen der Brüder
weiter. Der hieß Philipp und war Gedächtniskünstler. Er konnte sich
Zahlenkolonnen merken wie ein Computer — so auch die 155 Kräuter. Ein Glück!
Denn das Pergament war aus Versehen von Maurice vernichtet worden. Er hatte es
in einen siedenden Bottich geworfen.“
    „Irre!“
    „Philipp schrieb das Rezept
nicht auf, sondern behielt es im Kopf.“
    „Ein Geheimniskrämer?“
    „Logo! Vermutlich hat er das
ausgenutzt, um Karriere zu machen. Zum klösterlichen Ober-Apotheker. Aber er
war nicht der einzige schlaue Kopf im Orden. Der Abt dachte sich: Was uns
schmeckt, wird auch dem Rest der Welt schmecken. Den Amarusetto kann man
vermarkten. Und so wurde irgendwann später hier im Dorf St. Amarusetta — 40
Auto-Minuten talwärts vom Kloster entfernt — eine der berühmtesten
Schnapsfabriken der Welt gegründet: die Silentus Amarusetto Destillation. Sie ist eine supermoderne mit High-Technologie ausgerüstete Schnapsbrennerei.
70 Angestellte sind beschäftigt. Aber die machen nur Handlangerei. Das Gehirn
der Fabrikation —

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