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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Dresen
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versteckt am Körper mit sich führen kann, mit der Matte über ein Arbeitsgerät verfüge, das rosa, ziemlich sperrig und damit sehr auffällig ist. Zwar gibt es laut Internet im Studio auch die Möglichkeit, eine Leihmatte zu benutzen, aber mehr noch als bei angezogenem Yoga habe ich beim Nackt-Yoga große Vorbehalte gegen Fremdmatten. Beim bekleideten Yoga stört mich bereits, dass etwaige Vorgänger barfuß waren. Beim Nackt-Yoga sind unbekleidete Füße aber sicher noch das kleinere Problem. Deshalb ist die eigene Matte Pflicht.

    Ich parke, wie man es ebenfalls aus Krimis kennt, den Fluchtwagen einen Block entfernt. Genretypisch laufe
ich rasch, aber nicht zu schnell, mit Sonnenbrille versehen und ohne unnötig herumzuschauen, vom Parkplatz zum Hinterhof, in dem sich das Studio befindet. Im Innenhof, der sehr nach Biotonne riecht, sehe ich ein paar einsame Plastikstühle. Auf einem sitzt ein Mann, um die 50, Typ Vorruheständler, Feinrippunterhemd, leicht übergewichtig. Er sieht meine Yoga-Matte und lächelt. Jetzt gibt es kein zurück. „Bin ich hier richtig beim Yoga-Studio?“, frage ich eine Spur zu forsch. Er: „Ja, biste.“Ich gehe einen Schritt weiter, lasse zwar noch nicht sämtliche Hüllen, doch schon fast alle Hemmungen fallen. „Bin ich hier denn auch richtig beim Nackt-Yoga-Kurs?“Er taxiert mich von unten nach oben, wartet. Dann ein knappes: „Ja, det soll hier sein.“Ach, genau weiß er es auch nicht. „Waren Sie denn schon mal hier?“„Nee, soll mein erstes Mal werden.“Jetzt erwacht der investigative Autor in mir. „Wie kamen Sie denn auf die Idee, ausgerechnet Nackt-Yoga auszuprobieren?“„Ganz einfach, ich mache Yoga zu Hause, vor dem Frühstück. Dabei bin ich immer nackt. Da wollte ich das mal in Gesellschaft ausprobieren.“Aha. Gut, dass er mich nicht fragt, warum ich hier bin. Ein ähnliches Outing ist von mir nicht zu erwarten, Nackt-Yoga ist mir selbst ohne Gesellschaft zu peinlich, und den Hinweis auf die literarischen Hintergründe will ich mir verkneifen, um niemanden zu verschrecken.
    Nach und nach trudeln noch ein paar ebenfalls nicht mehr ganz jungen Männer ein, außer dem Nacktfrühstücker und mir unterhält sich aber niemand. Scheint eine eigenbrötlerische Spezies sein, der nacktyogische Mann. Mann? Da fällt es mir auf: Nehmen denn nur Männer am Nackt-Yoga teil? Nicht dass ich etwas gegen nackte Männer hätte, das muss es auch geben und für eineinhalb Stunden gerne auch in gebückter Haltung und notfalls auch direkt vor meinen Augen, aber wenn noch ein paar Frauen
mitmachen würden, wäre mir das nicht unangenehm. Deshalb freue ich mich sehr, als eine schon angezogen sehr attraktive Frau von der Straße in den Innenhof kommt und an uns vorbeiläuft. Leider scheint ihr Ziel nicht das Studio und damit die Teilnahme am öffentlichen Nackt-Yoga zu sein, sie will nur ihr dort abgestelltes Fahrrad holen. Für meine sonstigen Verhältnisse etwas zu kumpelhaft, aber Berlin verändert die Menschen offensichtlich, spreche ich den Frühstücksyogi jetzt duzend auf sie an: „Schade, dass die schöne Frau nicht mitmachen wollte, was meinst du?“„Keine Chance, das hier ist nur für Männer.“Stimmt, das stand irgendwo im Kleingedruckten, aber das hatte ich in meinem Entdeckerwahn wohl verdrängt.

    Es ist schon nach dem eigentlichen Beginn der Stunde, wir Teilnehmer werden zunehmend unruhig, denn noch fehlt der Nacktlehrer. Nach 20 Minuten rufen wir die auf seiner Homepage angegebene Telefonnummer an und teilen mit, dass wir hier vor seinem Yoga-Studio sitzen und stehen und uns (dann aber drinnen) gerne ausziehen und loslegen würden. Ohne Erfolg, niemand geht ans Telefon.
    Schließlich setzt sich die Erkenntnis durch, dass es heute nichts mehr werden wird aus der ganz besonderen Yoga-Stunde. Der Nacktlehrer ist offenbar verhindert. Ohne uns noch groß über die beinahe gemachte Grenzerfahrung auszutauschen, verlässt jeder für sich allein den Innenhof. Ich für meinen Teil bin gar nicht traurig, dass mir ein gnädiges Schicksal eine Teilnahme an der Stunde erspart hat. Rasch begebe ich mich ohne weitere Zwischenfälle zu meinem Auto und beende das Kapitel Nackt-Yoga im Buch wie auch im richtigen Leben. Jens hatte recht, man muss nicht alles ausprobieren.
    Weil ich ähnliche Enttäuschungen bei meiner Suche
nach yogischen Grenzerfahrungen vermeiden möchte, beschließe ich, auf meine geplanten Recherchen zum Thema Yoga und Tantra von vornherein zu verzichten.

Ich

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