Beim ersten Om wird alles anders
wie dort warten dann 300 Stunden Yoga-Lehrerausbildung auf die Lehrwilligen, darunter als Höhepunkt des Pflichtprogramms ein zwei Tage langer, ununterbrochener „ekstatischer Chant- und Kirtan-Gesang“. Natürlich würde man in den vier Wochen die vielfältigsten Yoga-Übungen lernen, sich mit den alten Yoga-Schriften in der Originalsprache Sanskrit beschäftigen und regelmäßig meditieren. Wer es noch nicht ist, würde darüber hinaus erfahren, warum Yogis doch bitte als Veganer zu leben haben. Sollte man dann noch die Abschlussprüfung bestehen, wäre man zertifizierter Yoga-Lehrer.
Die Voraussetzungen für die Anmeldung erfülle ich mittlerweile beinahe: Ich sollte über die letzten zwei Jahre hinweg jeden Tag Yoga ausgeübt haben. Ich habe zwar erst vor einem Jahr damit angefangen, aber es vergehen tatsächlich kaum noch Tage, an denen ich nicht wenigstens kurze Yoga-Übungen in den Tagesablauf einschiebe, vorausgesetzt, dass eine Handstandübung auf dem Weg vom häuslichen Arbeitszimmer zum Badezimmer kurz vor dem abendlichen Zähneputzen darunterfällt. Und ob ein oder zwei Jahre, das macht doch kaum einen Unterschied, mag sich so mancher Möchtegern-Pädagoge denken.
Ich sollte darüber hinaus viel über Yoga gelesen haben und zum Nachweis dafür fünf Zusammenfassungen von vorgegebenen Yoga-Büchern einreichen. Na gut, das wäre eine Herausforderung, denn über Yoga zu lesen, ist mitunter kein Spaß. Es ist kaum zu glauben, wie viel und wie viel Langweiliges und Schlechtes über Yoga zu Papier gebracht wurde, und immer wieder rührend zu sehen, wie gestandene Yoga-Leute sich mühen, absolute Banalitäten irgendwelcher Gurus durchzuarbeiten. Aber das würde ich schon schaffen, schließlich habe ich ein Jurastudium hinter mich gebracht, auch ein Weg, der mit seltsamen Menschen, absonderlichen Ritualen und langweiligster Lektüre gepflastert ist.
Ich müsste versprechen, mich an die ethischen Grundsätze des Yogas zu halten und eine medizinische Unbedenklichkeitserklärung unterzeichnen. Was auch immer diese ethischen Grundsätze genau sein mögen, her damit, ich unterschreibe.
Ich sollte auch eine bestimmte Yoga-CD mit Trainingsanleitungen auswendig kennen und darauf basierend Kurse geben können. Gut, das würde ich ein, zwei Stunden üben müssen, aber auch das erscheint nicht unüberwindlich schwierig.
Zwei Warnungen in den Anmeldeinformationen würden mich nicht abhalten: Es handle sich um keinen Yoga-Urlaub, und Drogen sind absolut verboten. Mein Yoga-Urlaub auf Korfu war bereits nahezu ein Fulltime-Job, insofern kann mich da nichts mehr schocken, und das mit den Drogen ist vermutlich ein Insiderwitz. Nach allem, was ich so höre, sind Ansammlungen von Yoga-Lehrern ohne Drogen ebenso häufig wie Zusammenkünfte von Profifußballern, ohne dass ein Ball in der Nähe ist.
Wer mich also in Kürze wie empfohlen mit Yoga-Matte, Yoga-Band, ölfreier Massagelotion, Schreibzeug, bequemer Übungskleidung in ausreichender Menge, feierlicher weißer Kleidung für den Yoga-Gesang, angemessenem Schuhwerk und falls erwünscht Kamera, Computer oder Rekorder angetan auf dem Weg zum Chiemsee oder nach New York antrifft, weiß, dass es von da ab bis zu Stufe II in meinem Yogi-Dasein nicht mehr lange dauern kann.
Yoga-Begriffe von A bis Y
Asana
So heißen die Körperhaltungen, in denen Yoga geübt wird, auf Sanskrit. Ihnen kommt angeblich den Verstand reinigende Wirkung zu. Es gibt Tausende verschiedene Übungen. Im Auftrag der indischen Regierung ist derzeit ein Komitee dabei, das erste offizielle Verzeichnis aufzustellen, um zu verhindern, dass geschäftstüchtige Yoga-Lehrer versuchen, sich eine angeblich neue Übung bzw. Übungsabfolgen patentieren zu lassen. Es gibt Übungen im Stehen (z. B. Baum, Kopf- oder Handstand), gebeugt (z. B. auf- und abschauender Hund), im Sitzen (z. B. Drehsitz) oder im Liegen (z. B. Kobra, Fisch oder Sphinx).
Bandha
Bandhas sind sogenannte Energieverschlüsse. Während der Yoga-Übungen soll man bestimmte Körperstellen anspannen, um die Asanas zu stabilisieren und den Energiefluss zu steuern. Es gibt u. a. den Nackenverschluss, bei dem man das Kinn Richtung Brustbein bringt. Das verlängert und entspannt den Nacken. Berüchtigt unter Yogis und Yoginis ist die Mula-Bandha, der Beckenbodenverschluss, gerne eingeleitet durch den Befehl „Wir ziehen den Beckenboden nach oben“. Detailliertere Erklärungen kommen selten ohne die Begriffe „Anus“oder „Wasserlassen“aus
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