Beim Leben meiner Schwester
nicht gefällt? Sie sieht Kate an, eindringlich. »Dir tut auch wirklich nichts weh?«
Sobald meine Mutter gegangen ist, sinkt Kate ein wenig in sich zusammen. Nur so läÃt es sich beschreiben â wenn ihr plötzlich die Farbe aus dem Gesicht weicht, wenn sie auf dem Kissen zu verschwinden scheint. Je kränker sie wird, desto weniger wird sie, und ich habe Angst, daà ich eines Morgens wach werde und sie gar nicht mehr sehen kann. »Weg da«, befiehlt Kate. »Du stehst mir im Bild.«
Also stehe ich auf und setze mich auf mein Bett. »Das ist doch nur die Vorschau für morgen.«
»Trotzdem, wenn ich heute abend sterbe, will ich wenigstens wissen, was ich verpasse.«
Ich schiebe mir mehrere Kissen unter den Kopf. Kate hat sich wie üblich alle weichen unter den Nagel gerissen, alle, die sich nicht anfühlen wie Steine im Nacken. Angeblich hat sie das verdient, weil sie drei Jahre älter ist als ich oder weil sie krank ist oder weil der Mond im Wassermann steht â es gibt immer einen Grund. Ich schiele auf den Fernseher, wünschte, ich könnte ein biÃchen zappen, weià aber, daà ich nicht den Hauch einer Chance habe. »Preston sieht aus, als wäre er aus Plastik.«
»Und wieso hast du dann gestern nacht seinen Namen ins Kopfkissen geflüstert?«
»Klappe«, sage ich.
»Selber Klappe.« Dann lächelt Kate mich an. »Wahrscheinlich ist er sowieso schwul. So eine Verschwendung, wo die Fitzgerald-Schwestern doch â« Sie zuckt zusammen und bricht mitten im Satz ab, und ich rolle mich näher zu ihr.
»Kate?«
Sie reibt sich das Kreuz. »Schon gut.«
Es sind ihre Nieren. »Soll ich Mom holen?«
»Noch nicht.« Sie streckt eine Hand zwischen unsere Betten, die gerade so weit auseinander stehen, daà wir uns berühren können, wenn wir es beide wollen. Auch ich strecke eine Hand aus. Als wir klein waren, haben wir manchmal diese Brücke gebaut und ausprobiert, wie viele Barbiepuppen wir darauf balancieren konnten.
In letzter Zeit habe ich Alpträume, in denen ich zerhackt werde, in so kleine Stücke, daà ich nicht mehr zusammengesetzt werden kann.
Mein Vater sagt, ein Feuer im Haus geht von alleine aus, es sei denn, du öffnest ein Fenster, denn das gibt ihm Nahrung. Ich glaube, genau das mache ich, wenn man es recht überlegt. Aber mein Dad sagt auch, wenn die Flammen dir schon an den Fersen lecken, muÃt du ein oder zwei Wände einreiÃen, wenn du davonkommen willst. Also hole ich die Ledermappe unter meiner Matratze hervor, als Kate von ihren Medikamenten eingeschlafen ist, und gehe damit ins Bad, wo ich ungestört bin. Ich weiÃ, daà Kate in meinen Sachen schnüffelt â ich habe einen roten Faden zwischen die Zähne des ReiÃverschlusses geklemmt, um ihr auf die Schliche zu kommen, und der Faden ist zerrissen, aber es fehlt nichts. Ich drehe das Wasser in der Wanne an, damit es sich anhört, als hätte ich einen Grund, im Bad zu sein, setze mich auf den FuÃboden und zähle.
Mit den zwanzig Dollar vom Pfandhaus habe ich 136,87 Dollar zusammen. Das wird nicht reichen, aber es muà trotzdem eine Lösung geben. Jesse hatte auch keine 2900 Dollar, als er seinen klapprigen Jeep gekauft hat, und die Bank hat ihm ein Darlehen gegeben. Natürlich muÃten meine Eltern die Papiere unterschreiben, und ich bezweifele, daà sie das für mich tun werden. Ich zähle das Geld noch einmal, für den Fall, daà sich die Scheine wie durch ein Wunder vermehrt haben, aber nein, die Summe bleibt gleich. Und dann lese ich die Zeitungsausschnitte.
Campbell Alexander. Ein blöder Name, finde ich. Er hört sich an wie ein überteuerter Drink in einer Bar oder wie eine Brokerfirma. Aber der Mann hat eine beeindruckende Erfolgsbilanz.
Um zum Zimmer meines Bruders zu gelangen, muà man das Haus verlassen, was genau in seinem Sinne ist. Als Jesse sechzehn wurde, zog er in die Mansarde über der Garage â ein prima Arrangement, denn er will nicht, daà meine Eltern mitbekommen, was er so treibt, und meine Eltern wollen es auch gar nicht unbedingt mitbekommen. Die Treppe in sein Reich wird von vier Winterreifen blockiert, einer Wand aus Kisten und einem umgekippten Eichenschreibtisch. Manchmal denke ich, Jesse baut die Hindernisse auf, um den Weg zu ihm noch schwieriger zu machen.
Ich klettere über das Gerümpel und steige die Treppe hoch, die
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