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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ausgezeichnete Arbeit, die ich hier mache, und für den Bockmist, mit dem ich es hier tagtäglich zu tun habe, und übrigens, wo wir schon mal dabei sind –« Sie hält den Hörer vom Ohr weg. Ich höre einen Summton, der andere hat aufgelegt. »Mistkerl«, murmelt sie und scheint erst dann zu merken, daß ich einen Meter vor ihr stehe. »Ja bitte?«
    Sie mustert mich von Kopf bis Fuß und scheint mich in mancherlei Hinsicht unzulänglich zu finden. Ich recke das Kinn und gebe mich um einiges cooler, als mir zumute ist. »Ich habe einen Termin bei Mr. Alexander. Um vier Uhr.«
    Â»Deine Stimme«, sagt sie. »Am Telefon klangst du nicht so –«
    Jung?
    Sie lächelt unbehaglich. »Wir vertreten keine Jugendlichen, grundsätzlich nicht. Wenn du möchtest, kann ich dir ein paar Anwälte empfehlen, die –«
    Ich hole tief Luft. »Nein«, falle ich ihr ins Wort, »da liegen Sie falsch. Smith gegen Whately, Edmunds gegen Womens und Infants Hospital und Jerome gegen die Diözese Providence, alles Fälle, wo die Kläger unter achtzehn waren. Alle drei Prozesse hat Mr. Alexander gewonnen. Und das waren nur die im letzten Jahr.«
    Die Sekretärin blinzelt mich erstaunt an. Dann wärmt ein Lächeln ihr Gesicht, als hätte sie doch noch beschlossen, mich nett zu finden. »Wenn das so ist, dann nimm doch bitte schon mal in Mr. Alexanders Büro Platz«, sagt sie und steht auf, um mir den Weg zu zeigen.
    Selbst wenn ich jede Minute meines restlichen Lebens mit Lesen verbringen würde, glaube ich nicht, daß ich die Riesenmenge an Wörtern bewältigen könnte, die an den Wänden von Campbell Alexanders Büro aufgereiht sind. Ich überschlage es im Kopf – wenn auf jeder Seite rund 400 Wörter sind und jedes der juristischen Bücher 400 Seiten hat und auf jedem Regalbrett zwanzig Bücher stehen und jedes Regal sechs Bretter hat – tja, dann macht das schon über neunzehn Millionen Wörter pro Regal.
    Ich bin allein in seinem Büro, lange genug, um mich umzuschauen. Sein Schreibtisch ist penibel aufgeräumt, auf der Schreibtischunterlage könnte man Fingerfußball spielen. Es gibt kein einziges Foto, weder von einer Ehefrau noch von einem Kind. Und obwohl das Zimmer absolut makellos ist, steht ein Napf mit Wasser auf dem Boden.
    Ich denke mir dafür Erklärungen aus: ein Swimmingpool für eine Ameisenarmee, ein primitiver Luftbefeuchter, eine Fata Morgana.
    Als ich mich gerade vorbeuge, um das Ding anzufassen und festzustellen, ob es real ist, fliegt die Tür auf. Ich kippe fast aus dem Sessel und sehe mich Auge in Auge einem deutschen Schäferhund gegenüber, der hereingekommen ist. Er bedenkt mich mit einem bohrenden Blick, trottet dann zu dem Napf hinüber und fängt an zu trinken.
    Auch Campbell Alexander kommt herein. Er hat schwarzes Haar, und er ist mindestens so groß wie mein Dad – über ein Meter achtzig – mit einem kantigen Kinn und Augen, die wie gefroren aussehen. Er schält sich aus seinem Jackett und hängt es ordentlich hinten an die Tür, zieht dann eine Akte aus einem Schrank, ehe er zu seinem Schreibtisch hinübergeht. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, fängt er an zu reden. »Ich kaufe keine Kekse von den Girl Scouts«, sagt Campbell Alexander. »Jeden Tag eine gute Tat geht einfach über meine Kräfte. Ha.« Er lacht über seinen eigenen Witz.
    Â»Ich verkaufe nichts.«
    Er blickt mich neugierig an, drückt dann einen Knopf an seiner Sprechanlage. »Kerri«, sagt er, als sich die Sekretärin meldet. »Was ist das hier in meinem Büro?«
    Â»Ich möchte Sie engagieren«, sage ich.
    Der Anwalt läßt den Knopf der Sprechanlage los. »Daraus wird wohl nichts.«
    Â»Sie wissen ja nicht mal, worum es geht.«
    Ich mache einen Schritt nach vorn – der Hund ebenso. Erst jetzt fällt mir auf, daß er eine von diesen Westen mit einem roten Kreuz drauf trägt, wie ein Lawinensuchhund. Automatisch strecke ich die Hand aus, um ihn zu streicheln. »Nicht«, sagt Alexander. »Judge ist ein Servicehund.«
    Ich ziehe die Hand zurück. »Aber Sie sind doch gar nicht blind. Was fehlt Ihnen denn dann?«
    Kaum ist mir die Frage herausgerutscht, würde ich sie am liebsten zurücknehmen. Schließlich habe ich zigmal miterlebt, wie Kate sich die Frage von aufdringlichen

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