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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Einzige, was ich wollte, war auf den Boden sinken und schlafen. Schlafen und am Morgen aufwachen und noch mal von vorn anfangen. Aber ich wusste, das ging nicht. Ich musste raus aus diesem Raum. Raus. Raus. Irgendwo anders hin. Wenn ich das nicht schaffte, war ich so gut wie tot.
    Und ich wollte nicht tot sein.

    Als ich die Augen wieder aufschlug, stand Kamal über Casings bewusstlosem Körper und sah mich an.
    »Haben Sie ein Auto?«, fragte ich ihn.
    »Ja.«
    »Wo steht es?«
    »Auf dem Parkplatz.« Er wedelte mit der Hand. »Auf der Rückseite.«
    »Wie weit ist das? Wie kommen wir da hin?«
    |47| »Das hier ist der Keller«, erklärte er. »Es gibt einen Hinterausgang, eine Brandschutztür. Der Parkplatz liegt gleich dahinter.«
    »Kommen wir raus, ohne gesehen zu werden?«
    Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wer da ist. Diese Leute … keine Ahnung.«
    Es kümmerte mich nicht mehr, ich wollte nur weg. Raus aus diesem Raum. Irgendwo anders hin.
    Ich schnappte mir die Aktentasche vom Tisch und warf einen letzten Blick auf die Szene, die ich zurückließ: drei bewusstlose Körper, eine Krankenhausliege, Geräte, Instrumente … Wahnsinn. Ich ging hinüber und leerte das Tablett mit den Skalpellen und Nadeln in die Aktentasche, dann winkte ich Kamal zur Tür.
    »Wir gehen jetzt hier raus«, erklärte ich ihm. »Sie und ich … wir gehen raus zum Parkplatz, steigen in Ihr Auto und fahren los – verstanden?«
    Er nickte.
    »Sie gehen voran«, wies ich ihn an. »Vor mir her. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Kein Wort zu irgendwem. Die Pistole ist in meiner Tasche. Wenn nötig, gebrauche ich sie – ist das klar?«
    Seine braunen Augen schauten zu mir zurück. »Ich verstehe.«
    »Okay«, sagte ich, packte die Pistole und nickte zur Tür. »Öffnen.«
    Ich beobachtete ihn, wie er die Tür vorsichtig öffnete. Er bewegte sich sehr langsam, so als könnte dies sein letztes Stündchen sein, und für eine Sekunde dachte ich, meines vielleicht auch. Wir sahen es beide geschehen – den Schuss, den Schrei, den Sturm bewaffneter Männer – und wir hörten beide auf zu atmen, während sich die Tür zentimeterweise öffnete …
    |48| Doch nichts geschah.
    Kein Laut.
    Keine Bewegung.
    Kamal hielt einen Augenblick inne, atmete leise aus und beruhigte sich, dann holte er wieder Luft, öffnete die Tür ein Stück weiter und schaute hinaus. Er blickte nach links und rechts, dann noch einmal nach links und rechts.
    »Ist da jemand?«, fragte ich ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Niemand. Alles frei.«
    »Okay, dann los.«
    Ich folgte ihm hinaus auf einen Flur mit gewölbter, niedriger Decke. Das Licht einer nackten Birne fiel auf weiße Ziegelwände und einen grauen Steinfußboden. Die Luft war kalt. Nach links ging der Flur ungefähr fünfzehn Meter geradeaus, dann bog er um eine Ecke. Nach rechts kreuzte in zehn Metern Entfernung ein anderer Flur.
    »Hier lang«, sagte Kamal und wandte sich nach rechts.
    Ich schloss die Tür und folgte ihm. Da wo sich die Flure kreuzten, gingen wir wieder nach rechts in einen andern, leicht abschüssigen Flur, der uns an etlichen geschlossenen Türen vorbeiführte. »Was ist das hier?«, fragte ich Kamal.
    »Hauptsächlich Lagerräume«, sagte er. »Die Wäscherei. Es gibt hier auch irgendwo einen Kesselraum, glaube ich.«
    Seine Stimme war weich und präzise, mit einem leichten Akzent, den ich aber nicht richtig zuordnen konnte.
    Wir gingen weiter.
    Meine Beine fühlten sich wacklig an und ich ging ein bisschen zur Seite geneigt, damit ich die Schmerzen im Bauch weniger spürte. Die harten Sohlen meiner Schuhe – Ryans Schuhe – schlugen |49| ungleich auf den abschüssigen Steinboden.
Schalap schlap schalap schlap.
Kamal lief geräuschlos vor mir her.
    »Wie weit noch?«, fragte ich ihn.
    »Nicht mehr weit.«
    Wir hatten fast das Ende des Flurs erreicht, als irgendein Handlanger mit einem Wäschekorb um die Ecke bog. Der kräftige blonde Mann mit stoppeligem Kinn rauchte eine Zigarette und trat genervt gegen eines der Korbräder, um den Wagen zurück in den Geradeauslauf zu bringen.
    »Nicht stehen bleiben«, flüsterte ich Kamal zu. »Gehen Sie einfach weiter.«
    Als der Handlanger aufschaute und uns sah – Chirurg und Anästhesist –, riss er sich die Zigarette aus dem Mund und verbarg sie hinter seinem Rücken. Kamal nickte ihm zu und der Mann reagierte mit einem falschen Grinsen. Ich konnte gar nichts tun. Ich starrte bloß geradeaus und versuchte zu wirken

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